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Das Haus im Moor

Das Haus im Moor

Titel: Das Haus im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
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verdienten, und das auf relativ kurzen Reisen. Ich rechnete mir aus, daß ich in drei Monaten so viel verdienen würde wie als Schreiner im ganzen Jahr. Zwei Reisen, mehr nicht. Sechs Monate, und ich hätte genug gehabt, um zu heiraten und hierher zu ziehen.« Er schüttelte langsam den Kopf und fuhr leise fort: »Mehr interessierte mich damals nicht, ich wollte einfach nur heiraten. Keine Sekunde lang dachte ich daran, länger als sechs Monate auf See zu bleiben. Wie dem auch sei, um das Ganze abzukürzen, ich heuerte also an und hatte meine ersten Erfahrungen mit dem Ozean. Sind Sie schon mal wochenlang ununterbrochen auf einem Schiff gewesen?« Er sah sie an, und Constance nickte. »Einmal, fünf Wochen lang.«
    »Und es hat Sie nicht rasend gemacht?«
    »Nein, mir hat es ziemlich gut gefallen.«
    »Ich dachte, ich würde jeden Moment verrückt. Man konnte nirgendwo hingehen. Man konnte zwar auf Deck herumlaufen, aber jedesmal, wenn ich am Ende ankam, hatte ich das Bedürfnis, einfach weiterzugehen. Nun, ich hätte drei Monaten später von der ersten Reise wieder zurück sein sollen, aber es gab eine Explosion an Bord, als wir gerade in einem Hafen lagen. Einer aus der Mannschaft kam dabei ums Leben. Zufällig war es ein Bursche, mit dem ich gut auskam, der einzige, den ich wirklich mochte. Die Art und Weise, wie er starb, erschütterte mich zutiefst, und ich wußte, Geld hin oder her, wenn ich wieder in der Heimat war, würde es keine weiteren Seereisen für mich geben. Wir saßen drei Wochen lang fest, weil erst jemand von der Reederei kommen mußte, um den Schaden zu begutachten, und gerade als mit den Reparaturen begonnen werden konnte, brach ein Streik aus. So war ich, als wir wieder auf dem Tyne ankamen, beinahe fünf Monate weg gewesen.«
    Vincent lehnte sich zurück und sah eine Weile lang aus dem Fenster, bevor er fortfuhr: »Wissen Sie, was ich tat, als ich in Wark aus dem Bus ausstieg?« Er wartete für einen Augenblick, und als Constance nicht antwortete, sagte er: »Ich warf mich auf die Erde …« Nach einer weiteren Unterbrechung murmelte er: »Können Sie sich vorstellen, die Erde so sehr zu lieben, daß Sie Ihr Gesicht darin reiben? … Obwohl ich beinahe vor Sehnsucht nach meiner Familie … und nach ihr platzte, ging ich doch den langen Weg zu Fuß, und als ich das Wasser über den Schiefer fließen sah und sogar einen roten Hirsch und einen Eisvogel, war ich wieder glücklich, oder jedenfalls beinahe.«
    Er hustete und nahm dann in verändertem Ton den Faden wieder auf. »Ich betrat mein Zuhause, als wäre ich gerade mal eine halbe Stunde weg gewesen. Zuerst dachte ich, das Verhalten der anderen hätte mit der Überraschung zu tun. Erst als ich von Mary sprach, merkte ich, daß etwas nicht stimmte. Ohne weitere Worte zog ich mich um. Ich wollte nach Harbottle, um sie zu besuchen. Da erst schlug meine Mutter vor, doch lieber zu warten, bis sie käme …« Er hustete wieder. »Nun, ich bekam nichts Vernünftiges aus ihnen heraus, bis ich draußen meinen Vater allein sprechen konnte. Er fragte mich nämlich« – er richtete die Augen auf den Boden – »ob ich Mary geschwängert hätte. Ich gab keine Antwort und ging los, um sie zu suchen. Sie war nicht zu Hause, und ihr Vater riet mir, den Dingen ihren Lauf zu lassen, den sie bereits genommen hatten. Sie hätte sowieso zu lange auf mich warten müssen. Drei Tage lang bekam ich sie nicht zu Gesicht, obwohl ich jeden Tag hingegangen bin und in der Nähe des Dorfes herumgehangen habe. Und dann sah ich sie … und ihn auch. In der Nähe von Falstone sah ich sie. Sie waren ein ganzes Stück weit weg, und es hätte irgendein Pärchen sein können, aber nein, sie hatte rotes Haar, und es war so auffällig wie die untergehende Sonne.«
    Jetzt nahm er ein Taschentuch aus der Tasche und wischte sich über das Gesicht. Dann sah er Constance an und fuhr fort: »Ich stellte keine Fragen, ich schlug einfach zu. Er schlug zurück, aber nur einmal. Dann hatte ich ihn schon hochgehoben und zu Boden geworfen. Wir standen am Rande einer Geröllhalde. Er rollte über den Boden und stürzte hinunter. Ich weiß nicht, ob er schon tot war, als er fiel, aber er war tot, als man ihn fand.«
    Vincent stand auf, ging zum Kamin und streichelte sanft den Rücken des Schafes. »Bei der Gerichtsverhandlung waren sie sehr nett zu mir. Ich wurde wegen Tot-Schlags angeklagt, nicht wegen Mordes. Aber, wissen Sie« – er wandte sich wieder zu Constance – »wenn ich ihn damals

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