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Das Haus im Moor

Das Haus im Moor

Titel: Das Haus im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Cookson
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nicht getötet hätte, ich hätt’s später noch einmal versucht.«
    Sie zitterte innerlich und stand auf, aber sie wandte den Blick nicht von ihm ab, als sie sagte: »Ich glaube nicht, daß Sie das getan hätten. Es geschah im Affekt. Und … und ich kann verstehen, wie Sie sich fühlten. Ich bin sicher, daß es dem Gericht auch so ging. Deshalb wurden Sie ›nicht schuldig‹ gesprochen.«
    »Nicht schuldig«, wiederholte er. »Nein, nicht schuldig des Mordes, aber schuldig des Totschlags. Dafür wurde ich zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.«
    Vincent starrte Constance an, die die Hände fest auf die Lippen preßte. Sie schüttelte langsam den Kopf, und er sagte: »Oh, machen Sie sich keine Sorgen. Es ist alles längst vorbei. Ich habe ein bißchen mehr als fünf Jahre abgesessen.« Er grinste unfroh und fuhr fort: »Alles in allem hat mir dieser Öltanker-Job dann doch genutzt, weil ich daran gewöhnt war, in kleinen Räumen zu leben. Aber« – er wandte den Blick wieder ab – »als ich rauskam, wußte ich, daß ich innerlich nicht noch mehr altern konnte. Was glauben Sie, wie alt ich bin?« Constance sah in sein Gesicht, sah die hervortretenden Wangenknochen, über denen sich die Haut spannte, sah seine aufgerissenen grauen Augen und die tiefen Falten in den Augenwinkeln, sah seine lange, schmale Nase. Dann sagte sie zögernd: »Also, um … um die fünfunddreißig.« Er lächelte gequält und antwortete: »Sie sind nah dran. Trotzdem sehe ich älter aus. Ich bin vierunddreißig …. Aber was soll’s? Was macht das schon?« Er deutete zum Fenster. »Das ist alles, was mir noch etwas bedeutet, einfach nur, diesen Anblick haben und dort draußen herumlaufen können, bis ich sterbe. Und anschließend« – er wandte sich ihr wieder zu und lächelte jetzt liebenswürdig – »werde ich zweifellos hier herumspuken.«
    Er beobachtete, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte. Ein unsicheres Lächeln erschien, und sie blinzelte ganz schnell. Er hatte schon bemerkt, daß sie das häufig tat, wenn sie verwirrt war. In ihrer Stimme schwang ein unterdrücktes Lachen mit, als sie fragte: »Es ist eigentlich noch zu früh für einen Drink, und ich habe nur Sherry und Brandy, aber möchten Sie einen?«
    Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ja, danke, ich könnte einen gebrauchen. Brandy, wenn es Ihnen Recht ist.«
    Sie ging mit energischen Schritten in die Küche, während er erneut sanft das Schaf streichelte.
    Als Constance zurückkam, stand Vincent am Fenster und sah hinaus. Sie gab ihm ein Glas, hob ihres und prostete ihm zu: »Auf glücklichere Tage.« Und er wiederholte ihren Toast: »Auf glücklichere Tage.« Als ihre Gläser aneinander stießen, wich die Blässe aus ihrem Gesicht, und sie errötete tief.
    Constance drehte ihr Glas am Stiel hin und her und starrte darauf, ehe sie fragte: »Darf ich … darf ich fragen, was aus dem Mädchen geworden ist?«
    »Oh! Sie hat den Cousin des Kerls geheiratet. Sie leben irgendwo im Süden, Hebburn oder Pelaw, in dieser Gegend.«
    »Wie lange ist das alles her?«
    »Fast zehn Jahre. Ich lebe jetzt etwas länger als vier Jahre wieder in Freiheit.«
    Constance blickte durch das Fenster in den Himmel. »Wenn man an einen so abgelegenen Flecken Erde kommt, denkt man nicht im Traum daran, daß irgend etwas den Frieden der Menschen hier stören könnte.«
    »Hier haben schon Menschen gelebt, bevor es Städte gab. Und wo Menschen leben, passieren Dinge. Immer schon.«
    »Vin! Vin!«
    Joseph kam über die Terrasse gerannt, und Vincent stürzte zur Tür. Der Junge japste: »Dad hat sich mit der Sense fast den Finger abgeschnitten! Mutter sagt, du sollst sofort kommen.«
    Vincent schien von dieser Nachricht nicht sehr überrascht zu sein. Er lächelte dem Jungen zu und sagte: »In Ordnung. Geh du schon vor. Ich komme sofort.« Dann wandte er sich an Constance und sagte: »Was habe ich Ihnen gesagt? Immer passieren irgendwelche Dinge. Wenn Vater müde wird, fügt er oft seinen Gliedmaßen etwas zu.«
    Sie lächelten beide.
    »Auf Wiedersehen.« Er nickte ihr zu. »Und danke für den Drink.« Dann fragte er leise: »Jetzt haben Sie keine Angst mehr vor mir, nicht wahr?«
    Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, und sie sah ihm in die Augen, als sie antwortete: »Ich hatte nie Angst vor Ihnen … Vin.«
    Er schaute sie noch einen Augenblick lang an, dann ging er hinaus und schloß die Tür hinter sich. Constance trat langsam an den Kamin und streichelte das

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