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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ist?«
    Â»Nein. Und Claire auch nicht.«
    Â»Claire?«
    Â»Die andere Frau meines Vaters«, erklärte sie trocken und lachte kurz auf. »Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was passiert ist. Er hat es nicht gepackt – zwei Familien zu ernähren und ständig zu lügen, also ist er auf und davon. Das scheint ein bewährtes Muster von ihm gewesen zu sein. Auf und davon zu laufen.«
    Â»Hast du es deiner Mutter erzählt?«
    Â»Natürlich nicht. In ihren Augen ist er ein Held.«
    Er trat an ihre Seite. »Das war er auch. Daran kann nichts etwas ändern.«
    Â»Ach, Theo. Was für ein Unsinn.« Sie war plötzlich todmüde. »Mein Vater war ein Lügner und Betrüger. Und ein Mann mit Ausdauer war er wohl kaum – er hat zwei Familien im Stich gelassen.« Sie drückte seine Hand. »Du siehst, es gibt den irren Vater und den bigamistischen Vater. Du bist gar nicht so übel dran.«
    Â»Sind Kinder da?«
    Â»Ja, zwei, Archie und Anne. Ich habe nur Anne kennengelernt; Archie war in der Schule.« Sie brühte Kaffee auf, rührte ihn um. »Er hat sie uns wohl vorgezogen. Ich an seiner Stelle hätte es auch getan.«
    Â»Vielleicht hat er seine beiden Familien geliebt, jede auf ihre Weise«, wandte Theo ein.
    Â»Vielleicht. Das Haus, in dem sie wohnen – ich habe gleich gespürt, dass es voller Leben ist. Ich kann mir vorstellen«, sagte sie nachdenklich, »dass mein Vater das Gefühl hatte, endlich wieder aufzuwachen, als er Claire traf. Nach den vielen Jahren, in denen er immer leise sein, immer zurückstecken musste, um die Nerven meiner Mutter zu schonen, war es für ihn bestimmt die reinste Offenbarung, mit Claire zusammen zu sein.«
    Es gab eine Frage, die sie nie zuvor hatte stellen wollen. Sie wusste, dass sie sich immer gewünscht hatte, sie würden alle zusammenbleiben, die Finboroughs, ein eng geknüpfter Kreis, damit sie ihr weiterhin sein konnten, was sie für sie stets gewesen waren: eine Zuflucht, beneidenswert, glanzvoll und nie ganz erreichbar. Jetzt jedoch flog der Kreis auseinander; was heute geschehen war, würde sie für immer trennen.
    Â»Hast du vor, in Paris zu bleiben, Theo?«
    Â»Wahrscheinlich nicht. Es kommt darauf an, wie sich die Dinge entwickeln. Zum Beispiel, ob es wieder Krieg gibt, und wenn ja, ob Paris in Mitleidenschaft gezogen wird.«
    Â»Und was glaubst du?«
    Er ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort. Dann sagte er: »Manchmal habe ich Angst, dass alles zusammenbricht. Europa kommt mir alt und müde und zerschlissen vor. Es ist, als ließen wir etwas hinter uns zurück, ohne etwas gefunden zu haben, was es ersetzen kann. Die Leute glauben nicht mehr an die alten Institutionen, und die neuen machen mir Angst. Deutschland macht mir Angst, Ruby. Was Aaron neulich Abend erzählt hat, ist längst nicht alles. Aber der Kommunismus macht mir genauso Angst – ich bin nicht in der Sowjetunion gereist, aber Aleksandra und ihre Freunde haben eine Ahnung davon, was dort vorgeht. Im Grunde genommen sieht es doch so aus: In Russland bringt Stalin die Menschen um. Deutschland und Italien sind faschistische Staaten, und Spanien steht am Rand eines Bürgerkriegs. In Frankreich herrscht das Chaos, und es fehlt an Überzeugung, und Amerika hält sich natürlich aus allem heraus. Und was uns angeht, kann ich nur sagen, unser Zaudern und unsere Heuchelei sind erbärmlich.«
    Als sie den Kaffee getrunken hatten, verabschiedete er sich mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange von ihr und ging. Ruby hörte ihn die Treppe hinunterlaufen, dann kuschelte sie sich in ihr Bett und merkte nach einer Weile überrascht, dass ihr die Augen zufielen.

Teil 3
Bis morgen
1936–1940

10
    S CHOTTLAND, WO S ARA UND G IL ihre Flitterwochen verbrachten, war herrlich und entschädigte Sara beinahe für die Enttäuschung in der Hochzeitsnacht und den nachfolgenden Nächten. Im Hotel in Fort Williams streifte Gil ihr das Nachthemd ab und umarmte sie gründlich und gewissenhaft, bevor er mit ihr schlief. Der Akt selbst war eher eine effiziente Angelegenheit als eine ekstatische. Als Sara den Hirschkopf mit dem gewaltigen Geweih bemerkte, der von seinem Platz über dem Kamin traurigen Blicks zu ihnen hinuntersah, musste sie laut lachen. Gil schien gekränkt zu sein, und sie erklärte ihm, dass sie wegen des Hirschs gelacht

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