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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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die er liebte, aufgegeben hatte. Sie fragte sich, ob er lange darüber gegrübelt, unschlüssig schwankend hin und her überlegt hatte, unfähig, sich zu entscheiden. Oder ob die Entscheidung ganz einfach gewesen war, ob sie ihm, als er sich vor die Wahl gestellt sah, so leicht gefallen war, als hätte man ihn gefragt, ob er lieber Zitronenbaiser oder Grießbrei essen, lieber einen Strandspaziergang machen oder zu einer Cocktailparty gehen würde. Als sie mit Caroline über die Abdankung sprechen wollte, sagte diese missbilligend: »Er hätte seine Pflicht tun müssen«, und ließ deutlich erkennen, dass sie sich nicht weiter über dieses Thema zu unterhalten wünschte. Aber wem, fragte sich Sara, hatte denn die erste Pflicht des Königs gegolten – seinem Land oder seiner Liebe? Wem hatte er seine tiefste Loyalität geschuldet? Konnte die Liebe von so großer Bedeutung sein, dass daneben alle anderen Verpflichtungen verblassten?
    Als der Frühling kam und sie zusehends schwerfälliger wurde, lag sie bei schönem Wetter oft, in Pelzmantel und Decken gehüllt, auf einer Korbchaiselongue in dem kleinen Spielezimmer neben dem Wintergarten und blickte über den Rasen hinweg zum Wald hinaus. Dann und wann brachte ihr Caroline eine Tasse Tee und setzte sich zu ihr, um mit ihr über den Garten oder die Nachbarn zu schwatzen. Manchmal kam auch Gil kurz vorbei, um ihr zu erzählen, was er an diesem Tag gerade tat. Sara schien er von Mal zu Mal verdutzter dreinzuschauen, als überraschte es ihn, dass er eine Ehefrau hatte.
    Wäre sie gefragt worden, so hätte sie gesagt, dass sie und Gil sich wegen ihrer Schwangerschaft auseinandergelebt hatten – aber waren sie je richtig zusammen gewesen? Oder hatte sie sich wieder einmal getäuscht, hatte sie sich vorgemacht, er wäre etwas, was er gar nicht war? Hatte sie Gil Vernon geheiratet, weil er das Gegenteil von Anton war, stämmig und dunkel, anglo-irischer Herkunft wie sie selbst? Hatte sie ihn geheiratet, weil er nicht groß, schlank, blond, weit gereist, weil er nicht anders war?
    Das viele Alleinsein hatte auch seine Vorteile. Vor allem kam sie zum Nachdenken, und ihre Gedanken schweiften, wie immer, zu Anton. Sie machte sich bewusst, wie viel er ihr bedeutet hatte und dass sie in ihm die Antwort auf die Frage gesehen hatte, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Für ihre Brüder, Philip und Theo, war es einfacher gewesen, sie hatten von Anfang an gewusst, dass sie eines Tages in der Firma arbeiten würden – dass dies jetzt keiner von beiden tat, spielte hier keine Rolle. Sie hatten von vornherein ein Ziel gehabt, aber gerade das – ein eigenes Ziel zu finden – war, wie Sara festgestellt hatte, so schwierig. In ihrem Fall hatte praktisch von Beginn an festgestanden, dass sie einmal heiraten würde. Doch sie hatte kaum eine Ahnung davon gehabt, was Ehe bedeutete, war über vieles, was untrennbar zu einer Ehe gehörte, im Unklaren gelassen worden und hatte erfahren müssen, dass auch in der Ehe das tägliche Leben so unerfüllt bleiben konnte, wie es zuvor gewesen war.
    Darum dankte sie Gott für das Kind. Wenn es erst einmal geboren war, würde alles gut werden. Gil und Caroline würden zufrieden mit ihr sein, und sie würde jemanden haben, dem sie ihre Liebe geben konnte. In Pelze gehüllt, die Hand flach auf ihrem Leib, um die Bewegungen des Kindes zu spüren, wartete Sara, während auf die Regenschauer des Frühjahrs Sonnenschein folgte. In den letzten Tagen ihrer Schwangerschaft begann sie, durch den Garten zu streifen, und folgte den verschlungenen, sich kreuzenden Pfaden im umfriedeten Garten. Caroline bat sie, sich auszuruhen, sich in den Schatten zu setzen, aber Sara ging und ging, bis sie die ersten Wehen spürte.
    Ihr Sohn kam nach langen, schweren Wehen zwei Tage später zur Welt. Er wurde ihr gleich genommen und ins Kinderzimmer gebracht; Saras Leben war gefährdet, und auf Anraten des Arztes bat Caroline Isabel zu kommen. Aus Rücksicht auf ihre Schwiegertochter und das Kind hatte Caroline die Dacharbeiten unterbrechen lassen, doch in ihren Fieberträumen meinte Sara noch immer das Klopfen und Hämmern zu hören. Als ihre Temperatur endlich fiel, fühlte sie sich schwach und erschöpft, und sie war überglücklich, als sie ihre Mutter an ihrem Bett sitzen sah.

    Während Saras Krankheit

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