Das Haus in den Wolken
Erwiderung abzuwehren. »Völlig zu Recht. Ich habe sie geliebt â sehr sogar, zu Beginn. Ihre Intensität hat mich stark angezogen. Ich weià nicht, was meine Gefühle für sie zerstört hat. Vielleicht die Erkenntnis, dass ihre Ãberzeugungen ihr wichtiger sind als die Liebe. Oder auch, dass etwas, was mir ungeheuer wichtig ist, für sie wenig Bedeutung besitzt â und umgekehrt natürlich. Vielleicht hat es mir auch nur nicht gefallen, erkennen zu müssen, dass ich immer an zweiter Stelle kommen würde.« Sein Ton war trocken, voller Selbstspott. »Was Sie im Zug über Schuldgefühle gesagt haben, hat ins Schwarze getroffen. Ich besuche Theresa, und wir gehen höflich miteinander um, obwohl jeder von uns, vermute ich, sich vom anderen erdrückt fühlt. Ich fahre jedes Mal tief erleichtert und voller Schuldgefühle wieder ab.«
Ruby stand auf und setzte sich zu ihm. »Ach, Lewis.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich bin froh, dass Sie mir das gesagt haben. Sorgen Sie sich um meinen guten Ruf? Das ist sehr ritterlich von Ihnen.«
»Ich sorge mich mehr darum, dass ich Ihnen eine Enttäuschung sein könnte«, sagte er.
»Ich glaube nicht, dass ich enttäuscht sein werde. Höchstens vielleicht meine Mutter.« Sie rührte ihren Kaffee um. »Sie glaubt, ich wäre noch unberührt, und hofft, dass ich früher oder später einen netten jungen Mann heirate, der im Büro arbeitet.«
»Haben Sie das vor?«
»Um Gottes willen, nein.«
»Keine Sehnsucht nach Hochzeitsglocken und der weiÃen Kutsche?«
»Ãberhaupt keine. Meine Mutter ist sicher bekümmert, dass ich ihr nie den netten jungen Mann vorstelle, aber sie hat in ihrem Leben schon so viele Enttäuschungen hinnehmen müssen, dass sie vermutlich daran gewöhnt ist.«
Er nahm ihr Tasse und Untertasse aus der Hand und stellte beides auf den Tisch. Dann zog er sie auf seinen SchoÃ. »Meine schöne Ruby«, murmelte er und küsste ihren Nacken, während er die Knöpfe am Rücken ihres Kleids öffnete.
Es war ein nebliger Abend und das Café voller Gäste.
Die Tür wurde geöffnet. Von einem Schwall kalter Luft begleitet, trat Anton ein. Sara eilte zwischen den Tischen und der Küche hin und her, Teller auf dem Arm, Bleistift in der Hand.
Sein Tisch; ein Teller wackelte gefährlich. Er sagte: »Du hast gesagt, du wohnst bei Ruby. Das stimmt doch, oder?«
»Ja, seit Februar. Seit ich meinen Mann verlassen habe.«
Sie ging weiter, verteilte die Teller, sammelte schmutzige ein. Sein Mantel hing über der Rückenlehne seines Stuhls. Sie streifte ihn mit dem Arm, nahm ein paar Tropfen Feuchtigkeit mit.
»Ich muss dich sprechen«, sagte er. »Wann bist du hier fertig?«
Sie sagte es ihm und trug dann das Geschirr in die Küche. Sie hörte das Zischen des Wasserkessels, sah die Tassen ins Wasser gleiten. Ihre Hand zitterte, als sie den Hahn aufdrehte.
Mach dir nur keine zu groÃen Hoffnungen. Er ist wahrscheinlich nur aus Höflichkeit gekommen. Er kann eine Freundin haben, er kann verheiratet sein, er kann ein Kind haben. Es kann gut sein, dass er dich nicht mehr liebt.
Sobald sie fertig war, gingen sie. Das Licht der StraÃenlaternen schien trübe durch den Nebel. Als sie neben ihm herging, war ihr, als fände sie etwas wieder, das ihr lieb und vertraut war.
Er fragte, ob sie etwas trinken wolle, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich würde lieber ein Stück laufen.«
»Welche Richtung?«
»Zur Themse. Ich mag die Themse bei Nebel.«
Sie überquerten die Shaftesbury Avenue. Von den Autos und Lastwagen auf der StraÃe waren nur die Scheinwerfer zu erkennen, Kreise trüben, diffusen Lichts. Passanten tauchten vor ihnen auf und waren gleich wieder verschwunden.
Er sagte: »Als ich erfuhr, dass du verheiratet bistâ¦Â« Er sprach nicht weiter. »Aber du hast deinen Mann verlassen?«, fragte er dann.
»Ja, Gil und ich haben uns Anfang des Jahres getrennt. Ich habe einen Sohn, David.«
»Du hast ein Kind?«
»Ja. Es ist jetzt anderthalb. Es lebt bei seinem Vater und seiner GroÃmutter in Irland.«
Sie bemerkte sein Stirnrunzeln, als er hörte, dass sie ein Kind hatte und dieses Kind verlassen hatte. Wie würde er darüber denken? Würde er die Gründe für ihren Entschluss verstehen, oder würde er sie
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