Das Haus in den Wolken
der Zug abfuhr.
Sie sah sich um. Der Bahnsteig war leer bis auf einen Reinigungsmann, der Zigarettenschachteln und Bonbonpapiere zusammenfegte. Enttäuscht kehrte sie zum anderen Bahnsteig zurück und nahm den nächsten Zug. Am Sloane Square stieg sie aus und ging zu Fuà in die Fulham Road, wo Ruby wohnte.
Die Wohnung war leer. Sara wusch sich das Gesicht und bürstete sich die Haare. DrauÃen klopfte es. Anton, dachte sie aufgeregt und machte auf.
Edward Carrington stand im Flur. »Oh«, sagte sie.
»Erwartest du jemanden?«
»Nein, nein. Nett, dass du vorbeikommst, Edward. Komm herein.«
Er trat ins Zimmer. »Ich wollte dich fragen«, sagte er, »ob du Lust hast, mit mir ins Kino zu gehen. Im Odeon läuft Jezebel, die boshafte Lady.«
»Ach ja, das wäre doch â« Sie brach ab und sagte: »Ich habe ihn gesehen, Edward.«
»Wen?«
»Anton. Vor noch nicht einmal einer Stunde.«
»Diesen Ausländer, von dem du mir erzählt hast? In den du verliebt warst?«
»Ja. Er ist hier. In London.«
»Auf Besuch, oder was?«
»Ich weià es nicht.« Sie war wie aufgezogen, als hätte jemand einen Schalter angeknipst und sie wäre wieder zum Leben erwacht. »Ich habe unten in der Liverpool Street auf die Circle Line gewartet, und da habe ich ihn plötzlich gesehen. Auf dem anderen Bahnsteig.«
»Hat er dich auch gesehen?«
»Nein, ich glaube ich. Ich bin rübergerannt, aber da kam gerade ein Zug, und als ich drüben ankam, war er weg.«
Er rieb sich das Kinn. »Sara, bist du ganz sicher, dass es dieser Mann war? Es kann nicht sein, dass du dich getäuscht hast?«
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nein, ich bin ganz sicher.« Aber noch während sie sprach, meldeten sich Zweifel. Sie hatte ihn nur so ï¬Ã¼chtig gesehen. Er hatte in sein Buch geblickt. Das Licht war schlecht gewesen, die Schattenâ¦
»Vielleicht wolltest du ihn sehen â bist du wirklich sicher, dass es nicht jemand war, der Ãhnlichkeit mit ihm hatte?«
»Ja, ganz sicher. Oder jedenfalls fast.«
»Und selbst wenn er es warâ¦Â«
»Was dann?«
»Hast du nicht gesagt, es sei ihm gar nicht ernst gewesen? Ich meine, würdest du nicht nur alte Wunden aufreiÃen, wenn du dich mit ihm treffen würdest? Wozu das?«
Der ganze Jubel ï¬el in sich zusammen. »Vielleicht hast du recht«, sagte sie niedergeschlagen. »Vielleicht würde er mich gar nicht sehen wollen. Vielleicht hat er mich ja auch vergessen.«
Aber sie erinnerte sich an eine winterliche Taxifahrt in London, sie hörte wieder Antons Stimme, als er sagte: Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand Sie vergessen könnte, Miss Finborough .
Edward beugte sich über den Tisch und drückte ihr die Hand. »Also, was ist? Gehst du mit ins Kino? Das lenkt dich ab. AuÃerdem hat meine Mutter mir heute Ausgang gegeben, und da muss ich doch was draus machen.«
Am folgenden Morgen fuhr Sara zum Golden Square, wo Peter Curthoys sein Büro hatte. Am Empfang saà ein junges Mädchen mit braunem Haar an einer Schreibmaschine.
Als Sara eintrat, hob sie den Kopf. »Kann ich Ihnen behilflich sein, Madam?«
»Könnte ich vielleicht Mr. Curthoys sprechen?«
»Er hat im Moment sehr viel zu tun, tut mir leid.«
»Es dauert nur eine Sekunde.«
»Gut, dann frage ich nach. Welchen Namen darf ich nennen?«
»Vernon. Mrs. Vernon.«
Das junge Mädchen stand auf, klopfte an eine Milchglastür, öffnete sie und trat in den Raum dahinter. Gleich darauf erschien sie wieder und sagte: »Mr. Curthoys lässt bitten, Mrs. Vernon.«
»Danke.«
Peter Curthoys war ein groÃer, schlanker Mann mit schütterem Haar und klugen Augen. Sara stellte sich vor. »Verzeihen Sie die Störung, Mr. Curthoys«, sagte sie, »aber ich glaube, Sie kennen einen Freund von mir, Mr. Wolff.«
»Anton?« Er strahlte. »Aber ja. Möchten Sie ihn sprechen?«
Sara klopfte das Herz plötzlich bis zum Hals. »Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Er ist hier, gleich nebenan.« Er öffnete eine Verbindungstür und rief: »Anton. Hier ist eine Dame, die dich sprechen möchte, eine Mrs. Vernon.«
Gleich darauf erschien er an der Tür. Sie wollte zu ihm laufen, aber als er sie erkannte, wich der fragende Ausdruck in seinem Gesicht einem
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