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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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die Eingangstür öffnete, lief sie ihm hinterher und ergriff ihn am Ärmel.
    Â»Richard – geh nicht – nicht so – verzeih mir –« Jetzt weinte sie ganz offen.
    Er machte sich los, stieg in den Wagen ein und ließ den Motor an. Als er die Auffahrt hinunterfuhr, sah er sie im Rückspiegel vor dem Haus stehen. Richard trat das Gaspedal durch, und nach der Kurve war Isabel aus seinem Blickfeld verschwunden.

    Richard blieb eine Woche lang im Klub. Er dachte daran, wie ihn all die Jahre hindurch stets das Gefühl geplagt hatte, dass Isabel sich ihm zu entziehen schien, dass er sie nie vollkommen durchschaute, dass sie einen Teil von sich vor ihm verbarg. Nun, jetzt wusste er ja, was dahintersteckte. Ein Geliebter, ein Kind.
    Gedanken tauchten auf, Ungeheuer aus irgendeinem tiefen, dunklen Grund: dass sie ihn bei ihrer Heirat nicht geliebt hatte; dass sie geheiratet hatte, um einer schwierigen Lage zu entfliehen – mittellos, arbeitslos, alsbald obdachlos, Gegenstand von Argwohn und Neugier in der Kleinstadt; dass sie ihn wegen seines Geldes und seines gesellschaftlichen Standes geheiratet hatte; dass sie all das war, was diese Kleinstadtbewohner in ihr gesehen hatten – liederlich, berechnend, habgierig.
    Manchmal, in kurzen Momenten der Nüchternheit, erinnerte er sich an all das, was sie miteinander geteilt hatten – die Hoffnungen und Ängste, die Kinder, die Leidenschaft. Aber seine Zweifel blieben, unverrückbar und zersetzend: dass er für sie ein Lückenbüßer, dass er nur zweite Wahl gewesen war.
    Wenn er am Morgen aufwachte, brannten seine Augen, und er hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Einmal, auf dem Weg ins Büro, verschätzte er sich beim Abbiegen und konnte nur um Haaresbreite den Zusammenstoß mit einer Straßenbahn vermeiden. Dieser Zwischenfall rüttelte ihn auf – danach zwang er sich, zu essen, zu schlafen, sich um praktische Dinge zu kümmern. Er holte liegen gebliebene Arbeit nach und wandte sich an einen Privatdetektiv, einen spitzgesichtigen Mann mit nikotingelben Fingern in einem schmuddeligen Büro hinter dem King’s-Cross-Bahnhof.
    Es gab Fragen, auf die er eine Antwort brauchte, und so ging er nach Hause. Er sprach im Schlafzimmer mit Isabel, damit die Dienstboten sie nicht belauschen konnten.
    Â»Weißt du, wo dieser Kerl, dieser Broughton, zu finden ist?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid.«
    Â»Hat er Arbeit?«
    Â»Ich glaube nicht.«
    Â»Beschreib ihn mir mal.«
    Als sie fertig war, sagte er: »Diese Angelegenheit wird diskret aus der Welt geschafft. Er muss zweifellos mit einer gewissen Summe abgefunden werden, aber ihm werden auch die Konsequenzen klar vor Augen geführt, die ein weiterer Erpressungsversuch haben würde. Ich werde dafür sorgen, dass es keinen Skandal gibt.«
    Â»Danke, Richard.«
    Â»Das tue ich für die Familie«, erwiderte er kühl, »nicht für dich, Isabel. Für die Finboroughs. Ich wünsche nicht, dass mein Name öffentlich durch den Schmutz gezogen wird.«
    Â»Ja, natürlich.«
    Er sah sich in dem Schlafzimmer um, das ihm schon nach einer Woche Abwesenheit seltsam fremd erschien. »Ich kehre nur unter einer Bedingung nach Hause zurück.«
    Â»Was immer du willst, Richard.«
    Â»Du erwähnst den Namen Broughton nie wieder. Hast du das verstanden?«
    Â»Ja, Richard.«
    Â»Und das Kind. Dasselbe gilt für das Kind.«
    Diesmal antwortete sie nicht. Er hakte nach. »Isabel. Das musst du mir versprechen.«
    Schweigen. Dann: »Ich habe nicht den Wunsch, Alfie noch einmal zu sprechen. Wenn ich ihn vergessen kann, werde ich es tun. Aber meine Tochter – das ist etwas anderes.«
    Â»Ich bestehe darauf.«
    Sie runzelte die Stirn. »Ich glaube, das kann ich dir nicht versprechen, Richard.«
    Â»Ich bitte dich nur um dies eine –«
    Sie unterbrach ihn. »Im Grunde verlangst du von mir, so zu tun, als hätte das Kind nie existiert; so zu tun, als sei nie etwas geschehen. Aber ich glaube nicht, dass sich dadurch die Dinge zwischen uns zum Guten wenden. Jetzt nicht mehr.«
    Â»Du weigerst dich also?«
    Â»Ich habe beinahe ein Leben lang die Existenz dieses Kindes geleugnet«, sagte sie mit müder Stimme. »Es liegt eine gewisse – eine gewisse Erleichterung darin, dass du endlich davon weißt.«
    Â»Erleichterung!«, wiederholte er

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