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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Jackettärmel und an die Männer, die man manchmal noch bettelnd durch die Straßen ziehen sah – Verrückte, Krüppel und Männer, die nach dem Krieg nie wieder Fuß gefasst hatten. Dann blickte er seine Hand an und die Narbe, dort, wo die Kugel sie durchschlagen hatte.
    Die Luftschutzsirene heulte, doch Richard blieb, wo er war. Er dachte an Philip und Theo und daran, was dieser Krieg seinen Söhnen antun könnte, presste die Hände an die Schläfen und schloss die Augen.

    Ende September erhielt Anton einen Brief von der Polizei. Er wurde aufgefordert, vor einem Untersuchungsausschuss zu erscheinen, der seinen Status als feindlicher Ausländer bestimmen würde. Im Oktober trat Anton vor den Ausschuss, der in einer jetzt leer stehenden Schule tagte, die Kinder waren ja evakuiert. Anton wurde nicht erlaubt, sich einen Rechtsanwalt zu nehmen, doch Peter Curthoys begleitete ihn, um ihm ein Leumundszeugnis zu geben.
    Sara arbeitete. Wann immer sich die Cafétüren öffneten, fiel ihr Blick automatisch dorthin. Im ganzen Land mussten feindliche Ausländer vor Untersuchungsausschüsse treten, die sie einer Kategorie, entweder A, B oder C, zuordneten. Ausländer der Kategorie A wurden als Bedrohung für das Land eingestuft und sofort verhaftet. Ausländer der Kategorie B stellten eine mittlere Bedrohung dar und solche der Kategorie C eine geringe. Peter Curthoys hatte Sara versichert, dass es keinen vernünftigen Grund gebe, Anton der Kategorie A zuzurechnen. »Eine reine Formalität, Sara«, hatte er zuversichtlich gesagt, bevor sie an diesem Morgen aufgebrochen waren. »Nur ein, zwei Stunden, dann ist er wieder bei Ihnen, haben Sie keine Angst.« Doch die Stunden vergingen – zwei, drei, vier –, und in ihr bauten sich eine Anspannung und Unruhe auf, die sie daran erinnerte, dass Anton und sie nicht immer nur Glück gehabt hatten.
    Zwei Uhr nachmittags. Die Türen öffneten sich wieder, und da sah Sara ihn. Sie rannte auf ihn zu, und er schloss sie in die Arme.
    Â»Wir mussten sehr lange warten«, sagte Anton und küsste sie. »Und wie du siehst, hier stehe ich – immer noch als freier Mann.«
    Â»Dieser dämliche Vorsitzende hat ihn in die Kategorie B eingestuft«, erklärte Peter und warf seine Aktentasche mit einem Knall auf den Tisch. »So ein Trottel. Der Kerl ist ein kompletter Idiot.«
    Es waren keine anderen Kunden im Café, und so setzte sich Sara, nachdem sie Kaffee gemacht hatte, zu ihnen an einen Tisch am Fenster. Der Vorsitzende war ein Rechtsanwalt, erzählte Peter ihr. Und anfangs schien auch alles recht gut zu laufen. Peter hatte Antons Charakter in den glühendsten Farben geschildert, und es waren noch ähnliche Briefe und Zeugnisse verlesen worden, die alle bestätigten, dass Anton das Naziregime verachtete, er von diesem Regime verhaftet und sein Vater sogar von Nazischergen ermordet worden war.
    Dann kam Antons politische Einstellung zur Sprache. Er habe Informationen vorliegen, hatte der Vorsitzende erklärt, dass Anton mit linksgerichteten Gruppen in Kontakt stehe – mit Sozialisten.
    Â»Ein waschechter Konservativer«, sagte Peter seufzend. »Selbst wenn es hart auf hart kommt, wird der blöde Kerl den Roten vermutlich immer noch genauso misstrauen wie den Nazis.«
    Anton hatte zugegeben, in Österreich sozialistischen Vereinen angehört zu haben, jedoch nicht ohne wiederholt zu beteuern, dass er sich ganz einem friedlichen Vorgehen zur Änderung der politischen Verhältnisse verschrieben habe und dass er das Land, das ihm so großzügig Zuflucht gewähre, aufrichtig bewundere. Erst danach hatte der Vorsitzende seine Bombe platzen lassen. »Stimmt es«, hatte er Anton gefragt, »dass Sie während Ihres Aufenthaltes in unserem Land eine unmoralische Beziehung zu einer jungen Frau aus gutem Hause aufgenommen haben und von ihren Einkünften leben?«
    Einen Augenblick lang war Anton zu schockiert gewesen, um zu antworten. Der Vorsitzende hatte ihn mit angewidertem Blick angesehen und erklärt, dass ihm Beweise für eine solche rechtswidrige Liaison vorlägen, eine Liaison, die noch schändlicher wurde durch die Tatsache, dass die junge Frau die Mutter eines kleinen Jungen sei.
    Â»Der Vorsitzende wusste alles über Sie, Sara«, rief Peter aufgebracht. »Gott weiß, woher.«
    Â»Was hast du gesagt?«
    Anton zuckte die

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