Das Haus in den Wolken
Achseln. »Ich habe ihm die Wahrheit gesagt. Was blieb mir anderes übrig? Dass du verheiratet bist und ein Kind hast, deine Ehe aber unheilbar zerrüttet ist. Und dass ich stets mein Bestes getan habe, um dich zu versorgen. Auch wenn es mir nicht besonders gut gelungen ist â das weià ich nur zu gut.«
»Anton«, sagte Peter und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter.
»Liebling«, sagte Sara und küsste ihn. »Niemand hätte es besser gekonnt. Niemand hätte mich glücklicher gemacht.«
Der Vorsitzende war dennoch unbeeindruckt gewesen und hatte Anton der Kategorie B zugeordnet. »Es gibt keine bindenden Regelungen für die Kategorisierung«, erklärte Peter Sara. »Einige Vorsitzende gründen ihr Urteil auf den Charakter der Person, andere auf ihren Ruf. Und wieder andere auf ihre eigenen politischen Vorurteile.«
Anton küsste Sara die Hand. » B oder C â wen kümmert das? Ich bin frei, und wir sind zusammen. Auch wenn es leider keine Reisen an die Küste mehr geben wird. Ich darf mich nicht weiter als fünf Meilen von zu Hause entfernen. Und ich darf auch kein Auto und keinen Fotoapparat besitzen, aber das könnte ich mir ohnehin nicht leisten, das macht also nichts. Oh, und keine Landkarten, natürlich â gefährliche Subjekte wie ich dürfen selbstverständlich keine Landkarten besitzen.«
»Wir können Berufung einlegen«, sagte Peter, doch Anton schüttelte den Kopf.
»Nein. Besser, ich akzeptiere es. Besser, ich ziehe nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich.«
Auf der Busfahrt nach Hause sah Sara aus dem Fenster. Aber es gab nicht viel zu sehen â es war bereits dunkel geworden, und da in den Kriegszeiten alle StraÃenlaternen und Autoscheinwerfer ausgeschaltet blieben, verschmolzen die Häuser, der Verkehr und die Menschen in der Dunkelheit zu einer diffusen Masse.
Der Vorsitzende wusste alles über Sie, Sara, hatte Peter gesagt. Gott weiÃ, woher.
Sie wusste, woher. Wer sonst als jener Mensch, der sie schon einmal so rücksichtslos voneinander getrennt hatte, hätte dem Untersuchungsausschuss freiwillig solche Informationen zur Verfügung gestellt? So etwas tat nur ihr Vater. Ein tiefer Schmerz mischte sich in ihre Wut. Beinahe hätte sie Anton heute erneut verloren, dachte Sara. Sie verschränkte ihre Finger mit den seinen und hielt ihn fest, ganz fest. Nichts sollte sie je wieder voneinander trennen.
Die alte Hündin war in der letzten Nacht gestorben. Hannah fand sie zusammengerollt im wuchernden Unkraut neben der Scheune, als hätte sie sich den angenehmsten Platz gesucht und sich dann zum Sterben dort niedergelegt.
Ihre Mutter weinte, als Hannah ihr von Bonny erzählte. Hannah hatte ihre Mutter immer nur um die Hunde weinen sehen, nie um etwas oder jemand anders. Weil Hannah nicht stark genug war, um Bonny allein zu ihrem Grab zu tragen, und weil ihre Mutter mittlerweile zu sehr auf ihren Stock angewiesen war, rollten sie die Hündin in eine Decke und schleiften sie hinter das Haus, dann durch den Obstgarten und schlieÃlich den Weg entlang.
Der Friedhof der Haustiere lag ein Stück weit vom Haus entfernt am Rande eines Feldes. Ãber die Jahre hatte Maude Quinn Sträucher und Blumen zwischen die gedrungenen schwarzen Grabsteine gepï¬anzt. Jetzt ging Maude zwischen den Grabsteinen herum und suchte nach einem Platz für Bonny. »Hier«, sagte sie und wies auf eine feuchte Stelle bei einem Lorbeerbusch.
Hannah begann zu graben. Ihre Mutter sah, auf ihren Stock gestützt, zu. Während Hannah schaufelte, stieg ihr ein bitterer Geschmack in die Kehle. SchweiÃtropfen bildeten sich auf ihrer Stirn. Ein Hieb vom Stock ihrer Mutter, der sie zwar nur streifte, sie aber, weil sie gerade in das Loch hinabstarrte, in einem unachtsamen Moment aufschreckte, lieà sie mit neuer Energie weitergraben. Doch bei jedem Spatenstich hatte sie Angst, sie könnte⦠etwas zutage fördern. Einen Knochen, vielleicht. Oder einen Schädel mit leeren Augenhöhlen.
Aber dort war nichts. Als das Loch tief genug war, schob Hannah Bonny hinein. Mit einem dumpfen Aufprall schlug der Kadaver auf. Hannah wollte das Grab schon wieder mit Erde bedecken, da fuhr ihre Mutter sie scharf an: »Die Decke, du hast die Decke vergessen. Wie kannst du so eine gute Decke verkommen lassen, du dummes Mädchen.«
Hannah kniete sich an das offene Grab und zog die
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