Das Haus in den Wolken
genau wissen wollt.« Er hatte seine Zigarette zu einem kleinen Stummel heruntergeraucht, den er jetzt zwischen Daumen und Zeigeï¬nger ausdrückte und dann einsteckte. »Die Nazis sind bereit, uns gegen englische Internierte auszutauschen. Ich hab gehört, wie einer das gesagt hat.«
Sie blickten alle die StraÃe hinauf zu der Schranke, die jetzt geöffnet worden war, um die Transporter passieren zu lassen.
Am nächsten Morgen wurde nach dem Appell wieder eine Liste mit Namen verlesen. Diesmal war Antons Name dabei. Er stopfte seine Sachen in seinen Rucksack und ergatterte einen Platz am hinteren Ende des Transporters, wo die Plane offen war und er die Wohnsiedlungen und EinkaufsstraÃen sehen konnte, durch die sie fuhren. Kaum jemand unter den Leuten, an denen sie vorüberkamen, gönnte dem Wagen einen Blick â warum auch? Es war ja nur wieder mal ein Militärtransporter, der irgendwelche Männer irgendwohin brachte.
Aber wohin ? Die Häuser wurden kleiner und schäbiger, an die Stelle der Parks traten Betriebswerkstätten und Lagerhäuser. Als der Transporter vor einer Kreuzung abbremste, überlegte er, ob er die Flucht wagen sollte, und maà den Abstand zwischen dem Ende des Wagens und der StraÃe. Aber die Wachsoldaten, die hinten saÃen, waren nervöse, unruhige Burschen. Einer von ihnen sah ihn an, und Anton lehnte sich wieder zurück; er hatte gehört, dass schon Internierte nach einer Auseinandersetzung mit den Wachen erschossen worden waren.
Möwen segelten in der klaren blauen Luft. Ein Schiff tutete. Anton konnte Kräne und die Aufbautendecks von groÃen Schiffen erkennen. Der Hafen von Liverpool, dachte er mit einem ï¬auen Gefühl im Magen.
Sie verfrachten sie nach Australien. Sie schicken uns nach Deutschland zurück.
Früher Morgen. Sperrballons, die unter blauem Himmel schwebten, und darüber eine Staffel Hurricanes und Spitï¬res. Männer, die mit aufgekrempelten Ãrmeln Sandsäcke füllten und an den Mauern öffentlicher Gebäude stapelten. Als Sara aus dem Haus trat, ï¬og ihr Blick wie der aller anderen zu den Schlagzeilen auf den Tafeln der Zeitungsverkäufer.
S CHIFF GESUNKEN: Z AHLREICHE T OTE NACH P ANIK UNTER I NTERNIERTEN ⦠R ÃCKSICHTSLOSER K AMPF UMS à BERLEBENâ¦
Sie kramte in ihrer Börse nach Kleingeld, um eine Zeitung zu kaufen, und zog sich in die Türnische eines Ladens zurück, wo sie den Bericht über die Arandora Star las.
Zu Friedenszeiten war die Arandora Star ein Luxus-Liner für die Reichen gewesen, die es zum Mittelmeer oder, im Winter, in noch wärmere Breiten zog. Zu Beginn des Krieges waren alle Handelsschiffe von der Admiralität requiriert worden, unter ihnen auch die Arandora Star. Das Schiff war am 1. Juli von Liverpool ausgelaufen, voll besetzt mit feindlichen Ausländern, die in ein Internierungslager in Kanada gebracht werden sollten. Am folgenden Tag um kurz nach sieben Uhr war die Arandora Star vor der nordirischen Küste vom Torpedo eines deutschen U -Boots getroffen worden und gesunken.
Einzelne Sätze sprangen ihr ins Auge. »Hunderte von Männern vermutlich ertrunken⦠Kapitän des Schiffs vermisst⦠Italiener, Deutsche und Ãsterreicher an Bordâ¦Â«
Italiener, Deutsche und Ãsterreicherâ¦
Am selben Abend, sehr spät, klopfte es bei ihr. Ruby und Lewis traten ins Zimmer. Die Tatsache, dass Lewis mitgekommen war, lieà nichts Gutes ahnen.
»Soll ich Tee machen?«, fragte Sara. Lewis schüttelte den Kopf und sagte: »Für mich nicht, danke. Ruby?«, doch Ruby schüttelte ebenfalls den Kopf.
»Ihr habt etwas Neues?«, fragte Sara.
»Einiges, ja. Nicht alles ist allerdings sicher.«
Sie setzte sich aufs Bett. »Wisst ihr, wo er ist?«
»Er war in Huyton.«
»Huyton?«
»Das ist ein Internierungslager in Liverpool. Ziemlich groÃ.«
» War «, sagte Sara. »Lewis, du hast gesagt, er war in Huyton.«
»Ja. Er ist vor ein paar Tagen abtransportiert worden.«
Das Wort »abtransportiert« machte ihr Angst. »Sag es mir«, bat sie leise.
»Mit Gewissheit kann ich gar nichts sagen. Niemand kann etwas mit Gewissheit sagen.«
»War er auf der Arandora Star ?«
»Es ist möglich, ja.«
Ruby, die sich neben sie gesetzt hatte, drückte ihr die Hand. »Wie möglich?«, fragte Sara schroff.
»Ich weià es
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