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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Sara? Komm doch mit und zieh mit uns in das Cottage. Es ist nicht besonders komfortabel, aber sehr nett. Wir haben ein Gästezimmer, und Jenny würde sich bestimmt diebisch freuen, wenn du mitkommst. Ich mich übrigens auch. Dann bin ich nicht so allein. Ich bin ein Stadtmensch; ich weiß nicht, wie mir das Landleben schmecken wird.«
    Â»Ich kann nicht«, sagte Sara. »Ich muss in London bleiben. Antons wegen. Er muss wissen, wo er mich finden kann.«
    Â»Ja, natürlich. Das verstehe ich. Aber du besuchst uns doch einmal, nicht wahr?« Sara versprach es.
    Zu Hause keine Briefe, kein Telegramm. Statt sich etwas zu kochen, machte sie sich ein Brot und trank Tee dazu. Zu viel Tee, dachte sie; in den letzten Tagen hatte sie ihn bestimmt literweise getrunken.
    Sie bügelte zwei Blusen, putzte ihre Schuhe, machte das Bett. Diese alltäglichen Verrichtungen waren auf einmal sehr wichtig, man musste froh sein, dass es sie gab, denn sie vertrieben die Zeit. Dann verdunkelte sie, las noch einmal Carolines letzten Brief, der von Davids Fortschritten erzählte, und schrieb eine Antwort. Dann gab es nichts mehr zu tun. Jeder Knopf war angenäht, jedes Loch im Strumpf gestopft. Lesen konnte sie nicht, wenn sie zum Ende eines Satzes kam, hatte sie den Anfang schon vergessen. Es gab niemanden mehr, dem sie schreiben konnte, um bei der Suche nach Anton um Hilfe zu bitten. Es gab einzig das Zimmer, das sie mit ihm geteilt hatte und das jetzt voller Erinnerungen steckte.
    Zum ersten Mal ertappte sie sich bei dem Gedanken, er könnte nie zurückkommen. Dann würde ihr nichts als die Erinnerung bleiben. Würde es das wert gewesen sein – Mann und Kind zu verlassen, mit ihrem Vater zu brechen, den sie trotz allem, was er getan hatte, so sehr vermisste? Würde es die Einsamkeit und den Schmerz wert gewesen sein? Oder wäre es besser gewesen, Anton und sie wären einander nie begegnet? Wäre sie dann die alte, oberflächliche Sara Finborough geblieben? Wäre sie dann glücklicher gewesen, weniger gequält? Sie dachte an das Haus, das Anton ihr bauen wollte. Würden sie je darin leben? Oder würde es ein Wolkenkuckucksheim bleiben, das nur auf Papier und in ihrer Phantasie existierte?
    Es gab keine Antworten auf ihre Fragen. Nur ein Gefühl der Verwandtschaft mit den vielen anderen Frauen, die warteten. Mit Ruby natürlich und mit Elaine, die mit Jenny und ihren gepackten Koffern darauf wartete, dass Philip zurückkam und sie aus London fortbrachte. Mit den vielen Frauen, deren Männer, Söhne, Brüder an der Front waren.
    Edward hatte ihr vor Kurzem eine Flasche Brandy mitgebracht. Sara trank ein großes Glas und verkroch sich ins Bett, auf Antons Seite. Erstaunlicherweise schlief sie gut und wurde am nächsten Morgen, an einem Samstag, vom Klappern des Briefkastens geweckt.
    Sie rannte die Treppe hinunter ins Vestibül. Unter den braunen Umschlägen und Flugblättern war eine Postkarte. Sie drehte sie um und sah, dass sie von Anton war. Es gehe ihm gut, schrieb er, er sei in einem Internierungslager auf der Isle of Man.

14
    Z U DER Z EIT, ALS F RANKREICH FIEL, kam ein Zug voll Schulkinder aus dem Londoner East End in St. Ives an. Vom Bahnhof wurden sie zur Stennack-Schule geführt, wo Leute aus der Umgebung, die sich zur Aufnahme Evakuierter bereiterklärt hatten, sich die Kinder aussuchten, die sie zu sich nehmen wollten.
    Isabel entschied sich für drei stupsnasige Brüder mit kantigen Gesichtern, die alle ziemlich schmuddelig aussahen und struppige Haare von der Farbe von Sackleinen hatten. Ihre Hemden waren abgetragen, die kurzen, von einer Schnur zusammengehaltenen Hosen zu groß und die Bündchen ihrer Socken so ausgeleiert, dass diese ihnen über die Knöchel auf die abgetragenen Leinenschuhe hinuntergerutscht waren.
    Sie kämen aus Canning Town, erzählten sie ihr, als sie gemeinsam die Schule verließen. Kaum waren sie im Bus nach Porthglas, begannen die beiden älteren Jungen, Robert und Ted, auf den Sitzen herumzuspringen, rannten immer wieder den Mittelgang hinunter, um aus dem Rückfenster zu schauen, und machten freche Bemerkungen über die Landschaft und die anderen Fahrgäste. Als sie im Dorf ausstiegen, liefen Robert und Ted sofort auf dem Küstenweg zum Cottage voraus und droschen dabei fröhlich mit ihren Gasmasken und den Bündeln aus braunem Packpapier, die ihre Habseligkeiten enthielten,

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