Das Haus in den Wolken
dann nie so, wie man es sich vorgestellt hat? Das würde mich mal interessieren. Man überlegt sich, was man den Leuten alles sagen will, und dann tut man es irgendwie doch nicht.«
»Den Leuten�«
»Ja«, sagte er in einem Sara wohlbekannten Ton, der anzeigte, dass für ihn dieses Gespräch beendet war. »Den Leuten.«
An diesem Abend ging Sara nach Hause.
Sie war seit Jahren nicht mehr in dem Haus gewesen, in dem sie geboren war. Das Ende einer Ehe, die Wiederentdeckung der Liebe. Sie ging die Auffahrt hinauf. In den ehemaligen Blumenbeeten wuchs Gemüse, der Kies in der Auffahrt war ungerecht, an den Fensterrahmen blätterte der Lack.
Sie läutete. Warum war sie hierhergekommen? Weil es sie traurig machte, vermutete sie, dass ihr Vater Sardinen aus der Dose aÃ.
Sie musste lange warten und hatte Zeit, darüber nachzudenken, was sie sagen würde, aber als ihr Vater dann die Tür öffnete, schlang sie nur die Arme um seinen Hals, sagte: »Oh, Dad«, und weinte.
Er sah so viel älter aus, das Haar farblos, nicht mehr feurig, die Augen verquollen. Trotz der Kälte war er in Hemdsärmeln. Das Hemd war ziemlich zerknittert und hatte keinen Kragen.
Er klopfte ihr auf den Rücken und sagte: »Du brauchst doch nicht zu weinen«, und dann: »Du machst mein Hemd ganz nass, und ich habe kein gebügeltes mehr.«
Sara schniefte, wischte sich die Augen und folgte ihm ins Haus.
»Wenn du zu Theo wolltest«, sagte Richard, »der ist nicht da.«
»Ich wollte nicht zu Theo. Ich wollte zu dir, Dad.«
Er wirkte überrascht, aber sehr glücklich. »Wirklich?«
»Ich wollte sehen, ob es dir gut geht.«
»Bestens, wie du siehst.«
»Ach, Dad«, sagte sie ärgerlich, während sie sich umsah. »Schau dir das doch an.«
Im Vestibül war es eiskalt. Sie hätte Bilder in den Staub auf dem Tisch und der Kredenz zeichnen können. Alles lag herum â Mäntel und Hüte auf der Fensterbank, Zeitungen, Regenschirme, aufgerissene Briefumschläge, aus denen zum Teil der Inhalt heraushing, waren hingeworfen, wo gerade Platz war. Ihr ï¬el ein, dass ihre Mutter und die Dienstboten ihm immer nachgeräumt hatten.
»Frierst du?«, fragte er.
Sara schüttelte den Kopf. »Ich habe meinen Mantel.«
»Möchtest du eine Tasse Kakao? Im Kakaokochen bin ich gut.«
»Ja, gern, Dad.«
In der Küche war es wärmer und sauberer als in den anderen Räumen. Vermutlich hatte sich Theo da betätigt.
Sie sagte: »Hol deine Hemden, dann bügle ich sie dir.«
Innerhalb von Minuten war er mit einer Ladung Hemden zurück. Sara stellte das Bügelbrett auf, während ihr Vater die Trockenmilch abmaà und mit Wasser mischte und das Gemisch dann auf den Herd stellte.
»Arbeitest du noch in dieser Kantine?«, fragte er.
»Ich habe mich zur freiwilligen Landarbeit gemeldet.«
Er sah sie an. »Ja, ich kann mir vorstellen, dass dir das gefallen wird.«
»Besonders die Pferde.« Sie prüfte, ob das Bügeleisen schon heià genug war. Dann sagte sie: »Gil hat mich um die Scheidung gebeten.«
»Ach?«
»Ja. Er möchte wieder heiraten.«
»Du meine Güte. Das hätte ich ihm nicht zugetraut.«
»Wenn die Scheidung durch ist, heirate ich Anton.« Ihr Vater wollte etwas sagen, aber sie lieà ihn nicht zu Wort kommen. »Lass nur, ich bitte dich nicht um deinen Segen oder sonst etwas. Ich weiÃ, dass du ihn nicht leiden kannst.«
Richard hatte seine Brille aufgesetzt, um die Anleitung auf der Kakaodose lesen zu können. Er runzelte die Stirn. »Es ging nicht darum, ob ich ihn leiden konnte oder nicht â na ja, gut, ein bisschen vielleicht schon. Ich kann nicht behaupten, es hätte mich gefreut, dass du dein Leben an so einen verdammten Deutschen wegwirfst â«
»Ãsterreicher, Dad.«
»Gut, dann eben an einen Ãsterreicher.« Richard legte den Löffel weg und drehte sich um, um sie ansehen zu können. »Ich fand, er wäre nicht gut genug für dich, Sara. Ich wollte immer nur dein Bestes.«
»Anton ist mein Bestes«, sagte sie entschieden. »Ich liebe ihn. Ich liebe ihn seit Jahren â ich glaube, ich habe ihn schon geliebt, als ich ihn das erste Mal sah. Ich glaube nicht, dass ich je einen anderen lieben werde.« Sie schob ï¬ink das Eisen über einen Hemdsärmel. »Ich
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