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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Anglo-Iren zur Krone, die Jahre im Anwärtercorps für Offiziere an der Schule und selbst die Schüsse, die er in den Sanddünen der Küste von County Down auf Kaninchen abgegeben hatte. An den feuchten Wänden von Raheen House hingen rostige Schwerter und Porträts von Soldaten in scharlachroten Uniformen. So etwas stellte man nicht infrage.
    Aber Isabel tat es. An dem Abend, als Richard ihr von seinem Eintritt in die Armee berichtete, stritten sie erbitterter miteinander als je zuvor. Die beiden Jungen versteckten sich in der Kinderstube, und die Dienstboten blieben in der Küche.
    Â»Du hättest bei mir bleiben können!«, schrie sie und trommelte mit den Fäusten auf seine Brust. »Du hättest es nicht tun müssen !«
    Ach, aber ich habe es getan, dachte er, als er sie in die Arme nahm und küsste, bis die Anspannung in ihrem Körper wieder nachließ. Es war schließlich die Aufgabe seines Standes.

    Isabel glaubte immer, dass ihre Tochter in dieser Nacht gezeugt wurde. Dass sie schwanger war, entschädigte sie in gewisser Hinsicht für Richards Abreise Anfang November, die ihn in ein Übungslager der Armee nach Nordengland führte.
    Sara wurde Ende Mai 1915 geboren, im Schlafzimmer ihres Hauses in Hampstead. Der Abendhimmel, der durch das Fenster zu sehen war, zeigte ein ständig wechselndes Farbenspiel von Apricot und Violett. Das weiche, bewegte Licht huschte über das Gesicht des schlafenden Kindes. Isabel strich mit der Fingerspitze über die pfirsichrunde Wange. So ein hübsches Kind, dachte sie und empfand eine tiefe Freude.

3
    I M S PÄTSOMMER 1915 wurde Richard nach Frankreich abkommandiert. An der Westfront war es um diese Zeit zu einer Pattsituation zwischen den beiden großen Armeen gekommen, die sich im Schutz eines gigantischen Grabensystems von der Kanalküste bis zur Schweiz gegenüberstanden. Da es den Deutschen bei den vorangegangenen Kämpfen gelungen war, die Höhen mit ihren natürlichen Beobachtungspunkten zu erobern, waren die Engländer und Franzosen vielerorts in die Niederungen verbannt, wo der Grundwasserspiegel manchmal kaum einen Meter unter der Oberfläche lag.
    Richard, der sehr schnell zum Hauptmann befördert wurde, sah sein Leben begrenzt von den engen Wänden der Gräben und der täglichen Routine. Ausrücken im Morgengrauen, Abtreten eine Stunde später, wenn es keine Anzeichen für einen feindlichen Angriff gab. Sobald es hell wurde, reinigten die Männer ihre Gewehre, und nach dem Frühstück wurden ihnen ihre Aufgaben zugeteilt. Die Wartung der Gräben war eine Arbeit ohne Ende: Neue Laufgräben und Unterstützungsgräben mussten ausgehoben, die bestehenden Gräben und Wälle täglich befestigt, verstärkt und repariert werden. Es musste für Verpflegungsnachschub gesorgt werden; die vielleicht zweihundert Meter entfernten feindlichen Linien mussten mit einem Periskop oder einem an einer Bajonettspitze befestigten Spiegel beobachtet werden. Vom Graben aus führten sie Überfälle durch, um eine Anhöhe oder einen Schuppen zu erobern; nachts wurden Arbeitstrupps ausgeschickt, die die zerstörten Stacheldrahtverhaue ausbessern oder die feindlichen Verteidigungsanlagen ausspähen sollten. Und dabei waren sie ständig in Lebensgefahr. Die Männer hatten mit der Zeit gelernt, jeden Moment, in dem sie nicht gebraucht wurden, zum Schlafen zu nutzen.
    Richards Sergeant hieß Nicholas Chance. Er war groß, über einen Meter achtzig, breitschultrig, ein Mann mit enormer Körperkraft. Er hatte scharfe blaue Augen, dunkelbraunes Haar und ein kantiges, in seiner Eigenart unverwechselbares Gesicht. Mit den Sandsäcken, mit denen sie den Grabenwall verstärkten, ging er um, als hätten sie nicht mehr Gewicht als Mehltüten. Richard merkte bald, dass er sich auf diesen Mann verlassen konnte. Erteilte man ihm einen Auftrag, so führte er ihn mit Schwung und guter Laune zuverlässig aus. Brauchte man Freiwillige für eine Nachtstreife, meldete sich Nicholas Chance. Er war flink, gründlich, intelligent und mutig.
    Im September starteten die Alliierten an der Westfront eine Offensive, die die Russen im Osten entlasten sollte. Die Franzosen griffen in der Champagne an und die Briten im Norden, bei Loos. Vor dem Angriff wurde die Front auf einer Länge von zehn Kilometern bombardiert. Dann wurde über dem Niemandsland

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