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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ein – Mrs. Finch, die Köchin, zwei Dienstmädchen, einen Gärtner und Dunning, eine Art Faktotum, der in Richards Abwesenheit auch den Wagen chauffierte. Vor dem Einzug hatte Richard ein Telefon und elektrisches Licht installieren und die alte Remise zu einer Garage umbauen lassen. Die Einrichtung des Hauses überließ er seiner Frau. Isabel ließ die Räume in sanften Schattierungen von Rosé, Creme und Gold tapezieren, suchte einen Antiquitätenladen und Möbelgeschäfte auf und kaufte eine elisabethanische Truhe hier und einen modernen Lampenständer dort. An den Spätnachmittagen, wenn das Sonnenlicht durch die farbigen Fenster fiel, waren die Fußböden übersät von edelsteinbunten Sprenkeln.
    In dem heißen Sommer von 1911 nahm der Himmel einen harten, grellen Glanz an, beinahe als läge er unter Glas. Der Verkehr auf den Straßen floss nur langsam dahin, als müsste er eine unsichtbare Barriere überwinden. Mittags krempelten die Büroangestellten und die Ladenmädchen ihre Ärmel hoch, ehe sie mit ihren Lunchpaketen in die Parks hinausgingen, deren Rasen von der Sonne ausgebleicht waren wie Stroh. Im Hafen – dem Herzen von London – wurde die mürrische, ungehaltene Laune der Menschen immer stärker. Von Southampton her, wo die Hafenarbeiter die Arbeit niederlegten, nachdem die Mannschaft des Liniendampfers Olympic in Streik getreten war, breiteten sich Unruhen aus. Nach dem Eingreifen Winston Churchills schien der Disput beigelegt zu sein, doch dann, nach einem glühend heißen Juni, flammte die Unzufriedenheit erneut auf. Anfang August, bei einer Hitze von über dreißig Grad, stand die Arbeit an den meisten Londoner Hafenkais still. Schiffe lagen ungelöscht an ihren Ankerplätzen. Berge von Früchten – exotische Pfirsiche, Bananen und Ananas – verfaulten auf den Kais, und die großen Märkte von London, Smithfield und Covent Garden waren so leer wie die Speisekammer eines armen Mannes.
    Richards Laune verschlechterte sich zusehends, als die Finborough-Teeverpackungsfabrik plötzlich Leerlauf hatte und die Arbeiter entlassen werden mussten, während Kisten voller Ceylontee in den Laderäumen nicht gelöschter Schiffe verdarben. Seine Knopfmacherei konnte den Betrieb noch aufrechterhalten, aber mit jeder Stunde schwanden die Materialien dahin. Fünf Tage noch, höchstens eine Woche, erzählte er Isabel, dann musste er die Frauen, die dort arbeiteten, ebenfalls entlassen.
    Doch im September sanken die Temperaturen endlich, und die Hafenarbeiter beendeten ihren Streik, da die Lords nachgegeben hatten und das Finanzierungsgesetz nun das Parlament passieren konnte. Zu der Zeit wusste Isabel bereits, dass sie wieder schwanger war. Diesmal aber eine Tochter, hoffte sie. Eine Tochter, die sie schön ankleiden und ins Ballett mitnehmen konnte. Eine Tochter, die ihr die verlorene Tochter ersetzen würde.

    Im März 1912 besichtigte Richard eine Fabrik in Süddeutschland, die Produkte aus Galalith herstellte, einem Casein-Kunststoff. Bei seiner Rückkehr nach London nahm er am Victoria Bahnhof ein Taxi und fuhr in die Knopfmacherei.
    Als er über den Werkshof ging, eilte sein Assistent John Temple auf ihn zu. »Gott sei Dank, dass Sie zurück sind, Sir. Mrs. Finborough geht es leider gar nicht gut. Sie liegt im Krankenhaus.«
    Erschrocken erwiderte Richard: »Das Kind kann es nicht sein, es ist doch erst in ein oder zwei Monaten so weit.«
    Â»Manchmal kommen sie früher als erwartet.« John Temple war Vater einer ganzen Horde von Kindern. »Ich kümmere mich um alles hier. Machen Sie sich keine Sorgen ums Geschäft.« Einen Augenblick lang ruhte seine Hand auf Richards Schulter.
    Im Krankenhaus hörte Richard, dass seine Frau in den Wehen liege und er sie nicht sehen könne. Zwölf Stunden später war ihr zweiter Sohn geboren, fünf Wochen zu früh. Als der Arzt ihm sagte, dass das Leben seiner Frau und auch das seines Sohnes in Gefahr sei, war Richard wie erstarrt. Er durfte, er konnte Isabel nicht verlieren. Ein solcher Verlust wäre zu schrecklich, zu ungerecht .
    Als der Arzt etwas von schweren Geburten und Hoffen und Beten murmelte, brüllte Richard ihn an: »Was stehen Sie dann hier herum und reden auf mich ein? Warum sind Sie nicht bei ihr? Warum helfen Sie ihr nicht?«
    Sie ließen Richard allein im Wartezimmer. Eine

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