Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
schliefen. Mit der Zeit bekamen sie das Gefühl, nie etwas anderes gekannt zu haben.
    Für die bei Loos Gefallenen waren neue Leute gekommen. Sergeant Chance schliff sie mit unerbittlicher Härte. Eines Tages, als Richard in einen Quergraben einbog, stieß er auf Chance, der einen der neuen Männer am Hals gepackt hielt und gegen den Erdwall drückte. Als er Richard bemerkte, ließ er den Soldaten los. Aber es dauerte ein, zwei Sekunden, bevor sich seine kräftigen Hände lockerten.
    Â»Saunders ist ein fauler Kerl, Sir«, erklärte er später, als er mit Richard allein war und dieser ihn nach dem Zwischenfall fragte. »Er sollte die Stützstreben in einem Laufgraben versteifen. Er hat behauptet, er hätte es erledigt, aber in der Nacht ist die halbe Wand eingebrochen. Leute wie er sind schuld, dass gute Männer sterben müssen.«
    Â»Männer wie Saunders gibt es in jedem Regiment«, sagte Richard. »Unsere Aufgabe ist es, das Beste aus ihnen herauszuholen.«
    Â»Das Beste?«, fragte Nicholas Chance geringschätzig. »Da gibt’s nichts Bestes rauszuholen, Sir. Ein Tritt in den Hintern ist das Einzige, was Leute seines Schlags verstehen.«
    Â»Vielleicht«, entgegnete Richard milde. »Aber es muss ja nicht gerade Mord sein.«
    Ein paar Tage später führte Richard nach Einbruch der Dunkelheit eine Patrouille ins Niemandsland. Sie wollten herausbekommen, ob einer der feindlichen Lauschposten, die noch vor der Frontlinie lagen, bemannt war. Mit geschwärzten Gesichtern, mit Gewehren und Messern ausgerüstet, robbten sie auf die feindlichen Linien zu. Sie mussten tief unten bleiben und sich unauffällig bewegen, wollten sie nicht von den deutschen Scharfschützen bemerkt werden. Wenn von Zeit zu Zeit der Himmel von Minenwerfern erhellt wurde, blieben sie reglos liegen, als wären sie tot. Neben Richard glitt Nicholas Chance wie eine Schlange durch den Schlamm; in der Finsternis war er nicht zu erkennen.
    Sie waren nur noch wenige Meter von dem Graben mit dem Lauschposten entfernt, bereit, den letzten Stacheldrahtverhau zu durchschneiden, als sie Stimmen hörten. Sofort erstarrten alle. Flüchtig zeigten sich mit Stahlhelmen geschützte Köpfe über dem Parapett, und Richard fing einige deutsche Wörter auf. Er blieb still liegen und atmete flach. Hin und wieder tauschten die Soldaten im deutschen Graben ein paar Worte. Vorsichtig blickte Richard zum Stacheldraht hinauf. Nur noch ein paar Schnitte, und sie wären durch und könnten den Feind wahrscheinlich mit Leichtigkeit überwältigen. Der Sergeant schien den gleichen Gedanken zu haben: Richard sah ihn seinen Drahtschneider heben.
    Plötzlich knatterten Maxim-Maschinengewehre. Sie antworteten mit Abwehrfeuer, rannten aber bald durch das Niemandsland zurück zu den eigenen Linien und warfen sich über das Parapett in den britischen Graben.
    Â»Wie viele sind zurückgekommen?«, fragte Richard seinen Sergeant.
    Â»Zehn, Sir. Keine Toten, zwei Verwundete. Nicht schlimm. Sie haben über unsere Köpfe hinweggeschossen – so nahe waren wir dran.« Chance lachte unvermittelt. »Würde mich interessieren, was die Fritze da gequasselt haben.«
    Â»Sie haben über Magenschmerzen geklagt. Und Symptome verglichen.«
    Â»Sie können Deutsch, Sir?«
    Â»Ein bisschen«, antwortete Richard. »Ich hatte nicht allzu lange vor dem Krieg geschäftlich in Deutschland zu tun.«
    Nachdem die Verwundeten zu den Reservegräben geschickt worden waren, Richard seinen Bericht an das Hauptquartier gesandt und die Männer hatte wegtreten lassen, bot er Nicholas Chance im Unterstand ein Glas Brandy an.
    Â»Ich bin auch ein bisschen herumgekommen, Sir«, erzählte ihm Chance. »Allerdings nur in England. Im Ausland war ich nie.«
    Â»Was haben Sie vor dem Krieg gemacht, Chance?«
    Â»Ich bin in Buckland geboren, im Vale of White Horse. Aber als Bauer habe ich mich nie gesehen, drum bin ich mit fünfzehn nach London gegangen. Da habe ich bei einer Firma gearbeitet, die landwirtschaftliche Maschinen und Futtermittel vertrieben hat, weil ich da reisen konnte.« Er nahm eine Fotografie aus seiner Brieftasche und reichte sie Richard. »So habe ich meine Frau kennengelernt. Ich war in East Anglia unterwegs. Das ist sie, Sir, das ist Etta, und das ist unsere kleine Tochter Ruby.«
    Richard betrachtete das Bild. Etta Chance

Weitere Kostenlose Bücher