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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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dann getan?«
    Â»Wir sind zusammen durchgebrannt. Etta war inzwischen einundzwanzig, da brauchten wir niemandes Einwilligung, um zu heiraten. Etta hat sich eines Nachts aus dem Haus geschlichen, wir sind nach London gefahren und haben uns trauen lassen. Hinterher hat Etta Maude geschrieben. Sie dachte, Maude würde weich werden. Kein Drandenken. Maude rückte nicht einen Penny raus, um Etta und mir zum Start unter die Arme zu greifen, obwohl sie im Geld schwimmt nach allem, was man hört. Soll sie doch an ihren Kröten ersticken, diese geizige Hexe.« Chance’ Ton war kalt und sachlich.
    Er sah auf seine Uhr. »Ich schaue jetzt besser mal nach den Wachen. Nicht dass sie eingeschlafen sind.« Bevor er hinausging, sagte er: »Sie nennen es Zermürbungskrieg. Ich glaube, die andere Art Krieg hätte besser zu mir gepasst. Etta sagt, sie kann sich gut vorstellen, wie ich mich im roten Uniformrock mitten ins Schlachtgetümmel stürze. Bei mir muss was los sein. Da muss was passieren.«

    Die innere Belastung äußerte sich bei jedem von ihnen anders. Richards Vorgesetzter, Major Woods, wurde immer schweigsamer und unzugänglicher, ließ nur selten ein Wort des Lobs oder der Kritik hören und hielt sich von den anderen Offizieren fern, soweit die beengten Verhältnisse in den Gräben es erlaubten. Er überließ es seinen untergebenen Offizieren, sich um die täglichen Geschäfte zu kümmern, und kam nur aus seinem Schneckenhaus, um mit seinen Vorgesetzten zu konferieren oder von oben erhaltene Befehle weiterzugeben.
    Nicholas Chance hatte seine eigene Methode, die gefährliche Stasis des Grabenkriegs zu ertragen. Nacht für Nacht meldete er sich freiwillig zum Patrouillendienst. Richard hatte den Eindruck, dass Chance furchtlos bis zur Tollkühnheit geworden war. Er hatte sich selbst nie für ängstlich gehalten, aber im Vergleich mit Nicholas Chance war er vorsichtig. Was, fragte er sich, bewirkte solche Furchtlosigkeit bei einem Menschen? Sie verleitete ihn offensichtlich zum Risiko und verzerrte die Wahrnehmung. Immer häufiger schien Chance die Gefahr beinahe herauszufordern, als wollte er sich etwas beweisen. Oder vielleicht konnte er sich nur dort draußen, mit dem Tod im Nacken, wirklich lebendig fühlen.
    Und seine eigenen Symptome? Erschöpfung, Konzentrationsmangel und offene Stellen an den Händen, die lange brauchten, um zu heilen, weil er im Schlaf an ihnen kratzte. Es war, als könnte er sich nie wieder sauber fühlen, nachdem er dieses verweste Menschenhaupt in Händen gehalten hatte. Manchmal meinte er, den Verwesungsgestank riechen zu können, der sich in seine Haut hineingefressen hatte und sich nicht entfernen ließ.
    Glauben Sie manchmal, wir könnten für immer hier draußen festsitzen, Sir? Die Schlacht von Loos hatte mit grausamer Deutlichkeit gezeigt, dass Maschinengewehre und Minenwerfer jeden Artillerieangriff praktisch zum Selbstmordkommando machten. Die massiven Stacheldrahtverhaue, in manchen Teilen der Front metertief, waren bei einem Sturmangriff schwer zu überwinden. Was würde es schon einbringen, wenn die Briten morgen einen erfolgreichen Überfall durchführten und vielleicht einen anderthalb Kilometer breiten Streifen Land gutmachten? Es war ja noch die ganze übrige Front da, die endlos lange Linie von der Kanalküste bis ins Herz Europas, verteidigt von einer Armee, die so gewaltig war wie ihre eigene. Wie viele Menschen würde der Krieg noch verschlingen?
    Richard bemühte sich, seinen Männern dieses Gefühl der Sinnlosigkeit nicht zu zeigen. Auf den März folgte der April, dann kam der Mai. Gerüchte von einer Großoffensive, mit der die deutschen Verteidigungsstellungen ein für alle Mal überrannt werden sollten, verbreiteten sich. Unter den neuen Leuten, die als Ersatz für die Gefallenen geschickt wurden, war ein junger Lieutenant namens Buxton. Mit seinem hellen Haar und dem frischen Gesicht kam er Richard lächerlich jung vor, kaum älter als ein Schuljunge. Seine Begeisterung und seine Freundlichkeit, die sich mit Arbeitsbereitschaft paarten, machten ihn schnell auch bei den zynischsten Männern beliebt.
    Zu den Vorbereitungen auf die bevorstehende Offensive gehörten häufige Ausfälle ins Niemandsland. Eines Abends befahl Major Woods Richard, mit einem Spähtrupp die Anordnung der feindlichen Gräben zu inspizieren.

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