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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hatte eine kranke Frau und Geldprobleme. Während Richard den Wagen durch ein Wohnviertel mit imposanten Villen lenkte, dachte er, dass er es beinahe verstehen könnte, wenn Nick dieser verstörten, weinerlichen Frau hatte entkommen wollen.
    Dr. Simpson war ein selbstgerechter Idiot, aber mit ein wenig Druck und dem Versprechen einer gewissen Geldsumme brachte Richard ihn dazu, ein Sanatorium für Etta Chance zu suchen und dafür zu sorgen, dass sie dorthin gebracht wurde. Als Richard in Begleitung des Arztes zu den Chances zurückkam, wurde es schon dunkel. Er würde entscheiden müssen, was mit dem kleinen Mädchen geschehen sollte. Ausgeschlossen, sie in diesem kalten, ungemütlichen Haus zurückzulassen oder dieser geizigen Tante auszuliefern. Am besten, er nahm sie mit nach Hause. Nicholas Chance hatte ihm das Leben gerettet. Wenn der Mann jetzt in Schwierigkeiten steckte – und Richard hielt das für äußerst wahrscheinlich –, musste er, Richard, sich um seine Frau und seine Tochter kümmern, bis er zurückkam. Das war das Mindeste, was er tun konnte.
    Isabel hatte sicher nichts dagegen, vorübergehend Nicholas Chance’ Tochter in die Familie aufzunehmen. Raum war schließlich genug vorhanden, und Isabel hatte Kinder so gern, dass in ihrem Herzen gewiss noch Platz für ein weiteres war. Ein stilles kleines Ding wie Ruby würde keine Umstände machen. Und für Sara wäre sie eine Spielgefährtin.
    Es war längst Abend geworden, als Ruby ihre Sachen und die ihrer Mutter gepackt und Etta unter Tränen Abschied genommen hatte, um sich von Dr. Simpson ins Sanatorium bringen zu lassen. Erst auf der Rückfahrt nach London fiel Richard ein, dass er Isabel hätte anrufen sollen, um ihr Bescheid zu geben, dass er erst spät zurück sein und Ruby mitbringen würde. Er erinnerte sich vage, dass Isabel etwas von Gästen zum Abendessen gesagt hatte…
    Nun, jetzt war es zu spät. Richard trat aufs Gaspedal, und der Wagen schoss vorwärts.

Teil 2
Die Pflegetochter
1928–1936

4
    D AS E RSTE, WAS R UBY BEMERKTE , war der Lärm. Er kam ihr entgegen, sobald das Dienstmädchen die Tür geöffnet hatte, ein regelrechter Schwall, vor dem sie unwillkürlich zurückwich. Sie konnte Fetzen eines Marschs heraushören, den jemand mit lauten, krachenden Akkorden auf dem Klavier spielte, Grammofonmusik, die Aufnahme eines beliebten Schlagers, Fußgetrappel und Stimmengewirr.
    Und Gelächter. Auf der Fahrt von Reading nach London hatte Mr. Finborough einmal einen Witz erzählt, über den er selbst laut lachen musste. Sein herzhaftes Lachen hatte Ruby an einen Löwen erinnert, den sie einst im Zirkus gesehen hatte: Kraftvoll und mächtig hatte er seinen bräunlich gelben Kopf gehoben und ein dröhnendes Freudengebrüll ausgestoßen.
    Nach der Stille in der Easton Road, monatelanger Stille, weil die Nerven ihrer Mutter so sehr angegriffen waren, erschreckte sie der Lärm im Hause Finborough, und sie stand wie erstarrt, bis Mr. Finborough sie mit einem Klaps auf die Schulter hineintrieb. Drinnen nahm ihnen das Dienstmädchen die Mäntel ab und Ruby ihren kleinen Koffer.
    Mr. Finborough rief: »Isabel! Ich habe dir jemanden mitgebracht! Isabel!« Als er auch einen Augenblick später noch keine Antwort erhalten hatte, sagte er: »Warte hier, Ruby«, und lief, Türen öffnend, den Korridor entlang. An einer blieb er schließlich stehen, sagte: »Liebes, ich bin wieder da«, trat ein und schloss die Tür hinter sich.
    Allein zurückgeblieben, sah Ruby sich um. Sie stand in einem Vestibül, das ihrer Einschätzung nach zweimal so groß war wie das Wohnzimmer in der Easton Road. Von der Lampe draußen im Portal fiel Licht durch die farbigen Fenster zu beiden Seiten der Eingangstür. Sie reichten bis zum Boden, und der glänzende Parkettboden war von roséfarbenen und goldenen Sprenkeln übersät. Die Dekorationen im Raum – Keramiken und Gemälde – fingen den Lichtschein ein, sodass ihr erster Eindruck vom Inneren des Hauses Finborough der eines prachtvollen, lebhaften Farbspiels war. Ruby blinzelte und trat näher an den Heizradiator. Ihr schien schon eine Ewigkeit lang nicht mehr so warm gewesen zu sein, sie öffnete ein paar Knöpfe ihrer Jacke.
    Auf einem runden Tisch in der Mitte des Vestibüls stand eine hohe Glasvase mit

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