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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Stechpalmen und anderen immergrünen Zweigen. Auf der Anrichte waren Fotografien in Silberrahmen aufgereiht, dort lagen aber auch Muscheln, ein Tennisball, ein Stapel Bücher, Briefe und Stifte. Über der Anrichte hing das Bild einer Frau in einem langen blauen Rock und roter Jacke. Ruby hob den Blick, um sie richtig ansehen zu können. Ihr schwarzes Haar wehte im Wind, sie stand auf einem Felsen, und hinter ihr toste die schäumende See. Ruby erinnerte sich an ein Gedicht von Tennyson, das sie in der Schule auswendig gelernt hatten: »Brich, brich, brich, Am Fuße deiner Felsen, Oh See!«
    Vom Korridor her, durch die geschlossene Tür hindurch, konnte Ruby Mr. Finboroughs jetzt ein wenig erhobene Stimme hören, doch die Worte waren nicht zu verstehen. Hinter einer anderen Tür war die Marschmusik von einer langsameren, ergreifenderen Melodie abgelöst worden. Und durch noch eine andere, halb offen stehende Tür konnte sie einen Mann auf einem Sofa liegen sehen. Ein Hut bedeckte sein Gesicht, vermutlich schlief er. Es waren noch andere Leute in dem Zimmer mit dem schlafenden Mann, die sich in einer fremden Sprache miteinander unterhielten – ein Mann, der Rubys Blick auffing, rief ihr etwas zu: Gelächter erklang, und sogleich sah sie weg.
    Die Grammofonmusik schien von oben zu kommen. Ruby hörte den dumpfen Rhythmus von Schritten, und als sie hinaufsah, rannte oben am Treppenabsatz jemand entlang. Dann hörte sie wieder Mr. Finboroughs Stimme, lauter und verärgert diesmal, und hin und wieder die Äußerungen einer Frau. Ruby fragte sich, worüber die beiden stritten, und nahm an, dass es um sie ging.
    Aus dem Zimmer mit den Ausländern trat ein hellhaariger Junge in einem marineblauen Pullover, der einen Apfel aß. Als er Ruby entdeckte, fragte er: »Hast du Theo gesehen?«
    Mit Theo war vermutlich Theo Finborough gemeint. Im Auto hatte Mr. Finborough Ruby erzählt, dass er drei Kinder hatte, Philip, Sara und Theo.
    Als sie den Kopf schüttelte, verschwand der Junge in das Zimmer, in dem Klavier gespielt wurde. Mr. Finboroughs Stimme war jetzt so laut, dass sie sich deutlich aus dem allgemeinen Lärmen heraushob: »Ich sage doch, dass es mir leidtut!«
    Ein Dienstmädchen mit einem Stapel Leinenwäsche in den Händen eilte durchs Vestibül; eine schwarz-weiße Katze schlich den Korridor entlang und kratzte halbherzig an der Vertäfelung; ein Spaniel mit braun-weiß gescheckten Schlappohren trottete langsam an ihr vorbei. Irgendwo in einiger Entfernung sang ein Kanarienvogel. Die Russen – Ruby malte sich aus, dass die Ausländer Russen seien, vielleicht sogar Weißrussen im Exil, Anhänger des ermordeten Zaren – hatten das Zimmer verlassen, nur der schlafende Mann auf dem Sofa lag noch da.
    Ruby betrachtete die Dinge auf der Anrichte genauer und neigte den Kopf, um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können. König Salomons Diamanten lag zuoberst auf dem Stapel, sie schlug es auf. Sie hatte es bereits gelesen – ihre Augen überflogen die Zeilen. Ein vertrautes Buch war wie ein alter Freund. Einen Augenblick lang stand sie unschlüssig da, dann setzte sie sich auf einen der Stühle bei den farbigen Fenstern und begann zu lesen.
    Kurz darauf ging die Tür zu dem Klavierzimmer auf, und der Junge in dem marineblauen Pullover kam heraus, dicht gefolgt von einem dunkelhaarigen Jungen. Er sagte gerade: »Ich glaube, Lydgate wird der Herr des Hauses. Großer Gott, kannst du dir das vorstellen?« Worauf der dunkelhaarige Junge – vermutlich Theo – erwiderte: »Er markiert bestimmt wieder den starken Mann, wie üblich.« Dann fragte der erste Junge: »Ach, meine Bücher, wo sind die eigentlich?«, und Theo sagte: »Auf der Anrichte, glaube ich.« Ruby rief: »Oh!«, sprang vom Stuhl auf und hielt ihm König Salomons Diamanten hin. Mit einer gewissen Geringschätzung sahen die beiden sie an, der Junge in dem marineblauen Pullover bedankte sich, nahm das Buch entgegen, dann gingen die beiden. Ruby fing ihr Gespräch noch auf, als sie schon den Korridor hinunterliefen.
    Â»Wer war das denn?«
    Â»Keine Ahnung. Wahrscheinlich das Kind irgendwelcher Freunde meiner Mutter. Dieses Haus platzt doch ständig aus allen Nähten.«
    Rubys Gesicht rötete sich. Warum nur hatte sie sich nicht dafür entschuldigt, dass sie das Buch genommen

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