Das Haus in den Wolken
Ruby, er war doch der ruhigste von den Finboroughs. Die Familie habe jetzt ein theoförmiges Loch, sagte Sara, und Ruby wusste genau, was sie meinte.
Bis zu dem Morgen, als er und Isabel entdeckt hatten, dass Theo fort war, war Richard sicher gewesen, dass der Junge zur Vernunft kommen würde. Aber schon zwei Tage nachdem Theo gegangen war, traf eine Ansichtskarte aus Paris ein.
Theo hatte ihn ohne Rücksicht im Stich gelassen, und Philip hatte bei aller Begabung für das Geschäft doch auch eine Menge Schwächen. Er war ï¬eiÃig und ehrgeizig; aber er war auch ein unbesonnener Hitzkopf. Er konnte arbeiten bis zum Umfallen, aber er konnte auch feiern bis zum Umfallen. Oft kam er erst in den frühen Morgenstunden nach Hause und erschien blass und übernächtigt zum Frühstück.
Vor dem Krieg hatte Richard beschlossen, die Firma Finborough in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Er selbst hatte achtzig Prozent der Anteile behalten, und Sidney Colville, sein alter Geschäftspartner, erhielt die restlichen zwanzig Prozent. Philip und Theo war bei ihrer Geburt im Hinblick auf ihren späteren Eintritt in die Firma jeweils ein Teil der Finborough-Anteile übertragen worden.
Jetzt aber brauchte das Unternehmen mehr Geld. Seit zwei Jahren stellte Finborough Radiogehäuse aus Bakelit her. Der Artikel lief hervorragend und verlangte nach Expansion, ein kostspieliges Unternehmen, für das Richard zusätzliches Kapital aufbringen musste. GroÃe Maschinen mussten gekauft, neue Fertigungsanlagen errichtet werden.
Sein Wirtschaftsprüfer empfahl, weitere Aktien zu verkaufen, aber Richard, der auf keinen Fall die Kontrolle über das Unternehmen aus der Hand geben wollte, war der Vorschlag nicht geheuer.
Eines Abends, als sie nach Hause fuhren, schlug Philip etwas anderes vor. »Verkauf doch die Teeverpackungsanlage«, sagte er. »Du brauchst sie nicht mehr, und Lyons zum Beispiel würde dir bestimmt einen guten Preis bezahlen. Für uns ist sie doch nur eine ï¬nanzielle Belastung.« Dieses Wort â Belastung , als wäre Finboroughâs Quality Teas ein Mühlstein am Hals des Unternehmens â ging Richard heftig gegen den Strich. Die Teeverpackungsfabrik war sein Kind, der Grundstein des heutigen Unternehmens. Er lehnte es ab, Philips Vorschlag auch nur in Betracht zu ziehen, und sie gerieten in Streit. Beide verloren die Beherrschung. Als sie zu Hause ankamen, würdigten sie einander keines Wortes mehr, und Richard hatte nur Zeit, seinen Mantel abzulegen und sich einen Drink einzuschenken, bevor er drauÃen Philips Motorrad davonfahren hörte.
Ruby verbrachte die Schulferien bei ihrer Mutter in Eastbourne. Etta Chance hatte zwei Zimmer in einer Pension in der Elms Avenue, nicht weit vom Meer entfernt. Ruby schlief auf einem Feldbett im Schlafzimmer ihrer Mutter. Die Abende waren am schlimmsten. Entweder saà sie sie unter Qualen in Mrs. Sykesâ Salon am Radio ab oder im Wohnzimmer bei ihrer Mutter, die strickte, während Ruby ein Buch las oder Patiencen legte. Die Zeit schleppte sich zum Klappern der Nadeln, zum Aufdecken der Karten dahin. Die Pullover und Jacken, die ihre Mutter für sie strickte, waren für sie Erinnerung an die Frustration in den Wochen in Eastbourne, wo ihr Leben in ereignisloser Eintönigkeit und Freudlosigkeit erstarrt zu sein schien, und an das schlechte Gewissen über die Erleichterung, die sie jedes Mal empfand, wenn sie Eastbourne verlassen und nach London zu den Finboroughs zurückkehren konnte.
Aber von ihrer Unrast blieb auch ihr Leben in London nicht unberührt. Saras Vorlieben â Reiten, Schwimmen, Tennisspielen â waren nicht Rubys. Saras Zukunft, Gesellschaften und Bälle, gefolgt von einer guten Partie, sah anders aus als ihre. Oft hatte sie in den Jahren, da sie in der Familie lebte, den Haushalt der Finboroughs im Stillen mit einem glanzvollen mittelalterlichen Fürstenhof verglichen, an dessen Spitze der mächtige König Richard und seine schöne königliche Gemahlin Isabel standen. Im Juli begab sich der Hof in die Sommerresidenz, wer seine Gunst genoss, war willkommen, wer sich seine Missbilligung eingehandelt hatte, wurde ausgeschlossen. Der Hof verkörperte Stolz und Machtbewusstsein, dazuzugehören verlieh Ansehen und etwas von dem Glanz, der selbst seine alltäglichsten Verrichtungen auszeichnete.
Ruby wusste, dass das Leben im Kreis der Finboroughs sie
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