Das Haus in den Wolken
Wolken von Milch; das Verrühren des Zuckers.
Ihre Mutter stellte eine Tasse Tee neben sie auf den Tisch. Dann strich sie Sara über den Kopf. »Hör auf mich, Schatz. Daddy und ich wollen nur dein Bestes. Und wir wünschen vor allem eines: dass du glücklich wirst.«
Verzweifelt rief sie: »Anton wird mich glücklich machen!«
»Tatsächlich?« Ihre Mutter wirkte traurig. »Das bezweifle ich, Sara.«
Seit dem GroÃen Krieg hatten Parteien der extremen Rechten und der extremen Linken um die Macht gekämpft â und bald hatte die eine, bald die andere sie errungen â in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. Deutschlands neu erstarkender Militarismus in Verbindung mit einer faschistischen Regierung gab gerade jetzt Anlass zu ernster Sorge. Obwohl die Leute in GroÃbritannien, die lautstark Frieden um jeden Preis forderten, indem sie ihre Landsleute an die Schrecken des GroÃen Krieges erinnerten â Schrecken, die Richard immer noch in seinen Träumen heimsuchten â, darauf setzten, dass die Vernunft sich durchsetzen werde, schien es Richard, als sei heutzutage gerade die Vernunft Mangelware. Die Menschen waren von dem Bedürfnis nach Sicherheit getrieben, und um Sicherheit zu gewährleisten, bedurfte es der Macht. Doch das Ringen um Macht auf Kosten der Vernunft öffnete allen Demagogen, Sadisten und Tyrannen Tür und Tor, die nicht davor zurückschrecken würden, Gewalt anzuwenden, um die eigenen Ziele durchzusetzen.
Richard glaubte schon seit längerer Zeit, dass es erneut zu einem Krieg kommen würde. Zu viele Differenzen aus dem letzten hatten nicht politisch gelöst werden können, es gab auf allen Seiten zu viel Ressentiment, Hass und ï¬xe Ideen. Diese Erkenntnis deprimierte ihn. Dieser Tage war er immer froh, wenn er nach einer Geschäftsreise auf dem Kontinent nach Hause zurückkehrte.
Diese Rückkehr jedoch stand unter keinem guten Stern. Isabel wirkte angespannt, Saras Augen war rot gerändert. Er nahm sie in die Arme und fragte sie, was geschehen sei, doch sie erwiderte nur: »Daddy, ich bin so froh, dass du wieder zu Hause bist.«
Als Isabel sich um das Dinner kümmerte, schlenderte Philip, zum Ausgehen umgekleidet, lässig an ihnen vorbei und sagte: »Sie hat sich in einen absolut unpassenden Mann verliebt, das ist alles«, und Sara schrie: »Halt den Mund, Philip, du gemeiner Kerl«, und rannte die Treppe hinauf.
Türen knallten. DrauÃen erklang das tiefe Brummen des Motorrades, als Philip davonfuhr. Isabel zog Richard in den Salon und erzählte ihm, dass sich Sara, mit Rubys Duldung, heimlich mit einem mittellosen ausländischen Studenten namens Anton Wolff getroffen hatte und dass dieser Wolff am Tag zuvor mit der Bitte hier erschienen war, Sara oder sie sprechen zu dürfen. Isabel hatte mit der Polizei drohen müssen, um ihn zum Gehen zu bewegen.
»Es ist meine Schuld«, sagte sie. »Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen. Ich mache mir groÃe Vorwürfe.«
Richard stellte Fragen. Wie hatte das geschehen können? Wie hatte Sara unter den Einï¬uss eines solchen Mannes geraten können? Wie alt war dieser Wolff? Wo wohnte er? Welcher Nationalität war er? Aus was für Kreisen stammte er, und was tat er in London?
Als er Isabels Antworten angehört hatte, rief er nach Sara, die das Gesagte bestätigte, aber zu seinem Ãrger überhaupt keine Reue zeigte.
Gegen Mitternacht stand er am offenen Fenster ihres Schlafzimmers und rauchte eine Zigarre, während Isabel an ihrem Frisiertisch saÃ. Plötzlich fragte sie: »Wir haben doch recht, oder, Richard? Wir müssen diesen Mann von Sara fernhalten, nicht wahr?«
»Natürlich müssen wir das. Wie kannst du nur fragen?«
Isabel nahm ihre Ohrringe ab. »Nun ja, hättest du jemanden um Erlaubnis fragen müssen, ob du mich heiraten darfst, dann hättest du auch zu hören bekommen, dass ich absolut unpassend sei.«
Richard schnippte Asche über den Balkon. Er empfand nichts als Verachtung für diesen Mann, der versuchte hatte, die Unschuld seiner Tochter auszunützen.
»Ein Mann kann eine mittellose Frau heiraten«, erwiderte er knapp, »aber nur ein Schurke macht einer Frau den Hof, die vermögender ist als er. Der Kerl ist ein ganz gemeiner Mitgiftjäger.«
»Sie scheint aber zu diesem Menschen zu halten. Sie ist
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