Das Haus in Georgetown
versteckte. McLean schien tausend Meilen hinter ihnen zu liegen.
Das Geheul setzte wieder ein. Sie stieg die Treppe hinunter und schaltete unten als Erstes das Licht im Esszimmer ein. Als siein der Küche den Schalter umlegte, zischte die Glühbirne, dann zerplatzte und erlosch sie. Faith tastete sich zur Vorratskammer vor.
„Das schwöre ich dir, Lefty, wenn du dich blicken lässt, mache ich Rattenhackfleisch aus dir“, flüsterte sie.
Falls Lefty zu Hause war, hatte er sich geduckt. Faith griff nach der Taschenlampe und schaltete sie ein. Das Licht flackerte und erstarb. Sie schüttelte die Lampe und versuchte es noch einmal. Diesmal klappte es.
„Neue Taschenlampe. Neue Taschenlampe.“ Sie betete die Worte vor sich hin, als bestünde ernsthaft die Gefahr, dass sie das morgen früh vergessen könnte. Sie stieg die Treppe hinauf und guckte kurz in Alex’ Zimmer. In jeder Ecke türmten sich Kisten. Ein Pfad führte zum Bett.
Und ein zweiter zur Speichertür.
Einer der Packer hatte Faith erklärt, sie könne sich glücklich schätzen, einen derart geräumigen Dachboden zu haben. Jetzt hätte sie ihm bereitwillig jeden Quadratmeter davon geschenkt. Das Gewimmer setzte wieder ein, wurde höher, dann leiser, schwoll wieder an und endete in einer Art Angstschrei.
Dann Stille.
Faith überdachte ihre Lage. Ihre Hände zitterten. Morgen früh hätte sie vielleicht mehr Glück.
Aber wenn sie bis morgen früh wartete, konnte es gut sein, dass ihre Kinder sich weigerten, das Haus je wieder zu betreten.
Sie schaltete im Zimmer von Alex’ das Licht an, öffnete die Tür zum Dachboden und suchte nach dem Lichtschalter. Als sie ihn umlegte, tat sich nichts. Ihr fiel ein, dass sie die Birnen noch nicht ausgewechselt hatte. Die Packer waren noch mit dem Tageslicht ausgekommen.
„Glühbirnen. Glühbirnen.“ Das Mantra verlieh ihr keinen neuen Mut.
Sie richtete die Taschenlampe auf die Stufen, auf denen offenbar keine Kartons im Wege standen. Als sie die ersten Stufen emporstieg, behielt sie ihren Fluchtweg im Auge. Auf dem Speicher herrschte jetzt Stille.
Sie ging ein bisschen schneller und lenkte den Lichtstrahl hin und her, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Auf der obersten Stufe blieb sie stehen, bevor sie den eigentlichen Dachboden betrat. Das Licht der Taschenlampe genügte bei weitem nicht, um den ganzen Raum zu erhellen; Faith konnte immer nur ein Eckchen überblicken. Von ihrer Warte aus wirkte alles normal. Der Raum hatte einen soliden Boden, und überall stapelten sich Kartons. In der Mitte war der Dachstuhl hoch genug, dass sogar ein Erwachsener sich aufrichten konnte; am Rand reichte das Dach direkt bis auf den Boden.
Allzeit fluchtbereit, stand sie da und leuchtete den Raum Stück für Stück aus. Einmal flackerte die Lampe wieder, aber als sie sie schüttelte, stabilisierte sich der Lichtstrahl.
„Okay, was ist hier los?“ sprach sie in die Dunkelheit hinein. Hätte jemand geantwortet, so wäre sie vermutlich rückwärts die Treppe hinuntergefallen.
Nichts geschah. Niemand kreischte, wimmerte oder heulte. Kein Geisterbaby materialisierte sich, um ein Geheimnis aufzuklären, das älter war als Faith.
„Ich persönlich glaube nicht an Geister“, sagte sie zur Dunkelheit. „Und ich möchte nicht ausgerechnet jetzt meine Meinung ändern müssen.“
„Mom?“
Sie machte einen Satz und legte sich instinktiv die Hand aufspochende Herz, bevor sie Alex’ Stimme erkannte, die vom Fuß der Treppe heraufschallte. „Alles in Ordnung, Schatz.“
„Mit wem redest du?“
„Mit mir selbst. Lauf zurück in mein Zimmer.“
„Du könntest mich brauchen ...“
„Mir geht’s gut. Kümmere dich um Remy.“
„Ich bin auch hier. Ich bin älter als er, weißt du?“ Remy klang mittlerweile eher entrüstet als verängstigt. Die Lage normalisierte sich.
„Okay, bleibt beide unten.“ Faith betrat den Speicher und schwenkte weiter die Lampe, während sie sich ihren Weg zwischen den Kartons hindurch suchte.
„Mom?“ Alex schien beunruhigt zu sein.
„Bis jetzt ist alles in bester Ordnung“, rief sie. „In bester Unordnung vielmehr.“
Plötzlich schoss vor ihr etwas Graues durch die Luft. Faith kreischte. Das Gespenst kreischte ebenfalls und verschwand hinter den Kisten.
Sie hatte nicht gewusst, dass Herzen so schnell schlagen können, und atmete sogar noch schneller. Vor Erleichterung war sie der Ohnmacht nahe.
„Katze!“ Sie machte kehrt. „Katze. Hier oben ist eine Katze. Die
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