Das Haus in Georgetown
sie zum Therapeuten soll, rastet sie aus. Unsere Beziehung ist im Moment nicht sehr belastbar. Du bist nicht der Einzige, den sie hasst.“
„Meinst du, dass du allein damit fertig wirst?“
„Welche Alternative habe ich denn schon?“
„Die Alternative, einen Experten um Rat zu fragen.“
„Wenn es schlimmer wird, werde ich eine psychologische Beratung in Erwägung ziehen. Bis dahin tue ich, was ich für das Beste halte. Ich bin diejenige, die das Porzellan aufsammeln muss, das du zerschlagen hast.“
Er überlegte, was er darauf erwidern sollte. Ihm fiel keine passende Antwort ein – das passierte ihm oft in seinem neuen Leben. Schließlich nickte er nur knapp und ging davon.
17. KAPITEL
Remy wartete darauf, dass ihre Mutter sie bestrafte. Nach der Konfrontation mit ihrem Vater hockte sie allein in ihrem Zimmer, schluchzte und drosch auf ihr Kissen ein, bis es aufplatzte und die Füllung in zarten Flocken herausrieselte. Nach ein paar Minuten vernahm sie, wie Faith das Haus betrat, und war sich sicher, dass sie gleich bei ihr auftauchen würde. Aber ihre Mutter dachte nicht daran.
Als sie sich nach einiger Zeit wieder gefangen hatte, ging Remy nach unten, um die Auseinandersetzung hinter sich zu bringen. Faith saß im Wohnzimmer und starrte ins Leere. Remy hörte Stimmen im Garten und nahm an, dass Alex und dieser furchtbare Obdachlose wieder Efeu herausrissen. Die Anwesenheit dieses Mannes war ein weiterer Beleg dafür, dass ihre Mutter – genau wie ihr Vater – völlig durchgedreht war.
Faith blickte hoch, als Remy näher kam. „Wie konntest du nur! Er ist dein Vater – trotz allem. Wie bist du nur auf die Idee gekommen, dass du das Recht hättest, ihn zu schlagen?“
„Er hat mich festgehalten.“
„Ja, ich weiß. Weil du deinen Bruder geschubst hast. Alex hat mir die ganze üble Geschichte erzählt.“
„Alex ist ein Klatschmaul.“
„Alex hat sich sehr bemüht, fair zu bleiben. Aber er konnte nicht viel zu deinen Gunsten sagen. Für dein schlechtes Benehmen gibt es keine Entschuldigung. Keine. Schluss, aus.“
Remy merkte, dass ihr hundert wichtige Fragen auf der Zunge lagen, aber sie brachte nur die profanste unter ihnen heraus: „Ich bekomme also wieder Hausarrest?“
Faith klopfte neben sich auf das Sofa. Erst wollte Remy derEinladung nicht folgen, aber als sie sah, wie sich Faith’ Miene verfinsterte, ging ihr auf, dass sie sich besser fügte. So weit von ihrer Mutter entfernt wie möglich hockte sie sich auf die Kante der Couch.
„Ich habe keine Ahnung, was ich mit dir tun soll – oder für dich“, begann Faith. „Ich weiß, dass du jede Menge Kummer hast. Ich merke, dass du auf alle böse bist. Aber wie konnte es so weit kommen, Remy? Hat dir irgendjemand in unserer Familie beigebracht, dass es in Ordnung ist, die Menschen, die dich lieben, zu beschimpfen? Hast du so ein Verhalten je bei uns zu Hause erlebt?“
Reue stieg in Remy auf. Der Ausdruck in den Augen ihres Vaters, als sie ihn geschlagen hatte, war ihr nicht entgangen. Er hatte wie jemand geguckt, der eine Massenkarambolage auf der Umgehungsstraße mit ansehen musste. Ein Teil von ihr hatte sich darüber gefreut, aber eigentlich war ihr elend zu Mute gewesen.
In diesem Augenblick waren ihr aus unerfindlichen Gründen all die Situationen eingefallen, in denen David sie auf den Schoß genommen hatte, wenn sie krank oder verängstigt gewesen war.
„Tut es dir Leid?“ fragte Faith.
Remy war klar, dass von der Antwort viel abhing. Sie wollte lügen und Ja sagen, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Vielleicht wäre das nicht einmal gelogen; sie wusste es nicht. Aber mit jeder Lüge, die sie erzählte, fühlte sie sich schlechter, selbst wenn die Freiheit, die sie bewirkte, ihr beschissenes Leben ein wenig erträglicher machte.
„Es tut mir Leid, dass ich ihn geschlagen habe“, sagte Remy schließlich. „Ich bin einfach durchgedreht. Ich will ihn nicht sehen und nicht mit ihm reden, und ich konnte nicht an ihm vorbei ins Haus. Ich hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Ich habe jetztimmer das Gefühl, in einem Käfig zu hocken. Wie die blöde Ratte, die Alex gefangen hat.“
„Du fehlst ihm. Er wollte nur mit dir sprechen und dich nicht in einen Käfig stecken.“
„Mir fehlt er nicht.“
„Oh doch.“
„Du glaubst wohl, du weißt alles über mich.“
„Ich wünschte, es wäre so. Ich wünschte, ich würde das Mädchen, das ich großgezogen habe, noch irgendwo in diesem Teenager-Körper
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