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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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knappen Slip. Als ich hereinkam, sah er erschrocken zur Tür. Eva-Beate merkte überhaupt nicht, daß um sie herum etwas vorging, daß jemand hereingekommen war. Das war das erste Bild.
    Das andere war nicht ein Bild, sondern viele, übereinandergelegt. Es war derselbe Mann, halb aus dem Bett heraus, mit einem verblüfften Gesichtsausdruck, als mein Knie ihn das erste Mal traf. Es war derselbe Mann, dabei, sich aufzurappeln, die eine Hand nach einem Messer ausstreckend, das auf dem Nachttisch lag. Es war dieselbe Hand, mit gespreizten Fingern, erstarrt, am Ende eines gebrochenen Armes. Es war dasselbe Gesicht, aus dem bei jedem meiner Schläge nach und nach alles Leben, aller Schmerz und das Bewußtsein wich. Und Eva-Beate, bewußtlos, reglos, ohne noch irgend etwas zu merken.
    Und dann das dritte Bild: Stille. Eva-Beate noch immer auf dem Bett, das Geschlecht wie ein zerfetzter Sonnenuntergang. Der Mann als ein Haufen vor dem Bett, bewußtlos. Und ich, gegen die Wand gelehnt, atemlos wie nach einer Staffeletappe an einer Steigung, aber mit einer neuen Klarheit im Kopf. Und die Schritte auf der Treppe. Beamte des Rauschziftdezernats.
    Das Verfahren wurde eingestellt. Alle verstanden mich. Es stand Aussage gegen Aussage, und schlimmstenfalls konnte ich sagen, es sei Notwehr gewesen. Der Mann war einer der schlimmsten Stoffpusher der Stadt, und es gab ohnedies Beweise genug, um ihn mindestens acht Jahre einzusperren. Er bekam zehn, aber sie zogen die drei Monate ab, die er im Krankenhaus lag.
    Alle verstanden mich. Aber es kostete mich den Job, und Muus hatte den Bericht in den Pfoten. Muus sagte: »Du kannst ganz schön rangehen, Veum, wenn du erst mal rangehst.« Kurze Pause. »Was hat Margrete Moberg getan: Wollte sie nicht? Sie auch nicht?«
    Ich schob die Bilder weg und war wieder im Jetzt. Ich starrte Muus an, ohne zu antworten.
    Muus fuhr fort: »Dieser Knastie, den du krankenhausreif geschlagen hast. Warum warst du eigentlich so rasend sauer auf ihn? Weil er sich mit deinem Mädchen vergnügte? Oder weil sie nicht wollte – mit dir? Wie alt war sie noch? Vierzehn? Fünfzehn? Du magst sie gern ein bißchen schwierig, was, Veum? Minderjährig – oder verheiratet?«
    »Seit wann sind die Verheirateten schwierig?« antwortet ich müde.
    »Du gibst also zu …«
    »Ich gebe verdammt noch mal gar nichts zu, Muus! Ich kann nur nicht hier sitzen und auf dieser Ebene mit dir diskutieren. Ich hab dir erzählt, warum ich in Mobergs Büro war, ich hab dir erzählt, warum ich Margrete Moberg beschattet habe …«
    »Ja – weil unser Veide hier dich engagiert hat!«
    »Ja, aber …«
    »Aber das hat er nicht!«
    »Nein, aber irgendein anderer hat. Irgend jemand, der sagt hat, er wäre Ragnar Veide. Irgend …« Ich verfiel in Gedanken. Ich dachte an die Dinge, die ich Muus nicht erzählt hatte. An die Frau, die Frau Moberg in der Konditorei getroffen hatte – und deren Adresse in Kopenhagen. An den mißglückten Versuch, den Mann zu beschatten, der sich Ragnar Veide nannte. An die Besuche im Atelier Bonanza und die Verfolgung von Rigmor Moe und all das, wozu sie geführt hatte. An das Haus mit der grünen Tür. Ich fing an zu schwitzen. Es war jetzt viel zu spät, um etwas davon zu sagen. Ich mußte nur dorthin kommen, vor ihnen. Oder zusammen mit ihnen. Aber um vor ihnen hinzukommen, mußte ich wissen, wohin, und ich mußte raus. Und um rauszukommen mußte ich meinen Grips benutzen. Und mein Mundwerk. Besonders das letztere. Es würde eine lange Nacht werden.
    Muus dachte in dieselbe Richtung. Er hatte einen Moment lang die Aufmerksamkeit auf Ragnar Veide gerichtet, den echten Ragnar Veide. »Tja, Veide, wir brauchen Sie vielleicht nicht länger aufzuhalten. Es wird eine lange Nacht werden. Wo wohnen Sie?«
    Veide nannte den Namen eines der besseren Hotels der Stadt, und Muus bat Ellingsen, ihn dorthin zu fahren. »Aber bleiben Sie noch ein oder zwei Tage in der Stadt, Veide. Wir werden Sie sicher noch brauchen.«
    Veide erhob sich und folgte Ellingsen willenlos, ohne irgend etwas zu sagen und ohne jemanden anzusehen.
    Muus sah wieder mich an. »Tja, zurück zu unseren Freunden, den Tieren. Du bist eine harte Nuß, Veum, aber wir haben schon härtere geknackt. Krempelt die Ärmel hoch, Jungs. Es kann eine lange Nacht werden.«

20
    Alle Erwartungen wurden erfüllt. Es wurde eine lange Nacht. Eine lange Nacht in einem grellen Licht, umgeben von verzerrten Gesichtern, die wieder und wieder die gleichen Fragen stellten.

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