Das Haus mit der grünen Tür
brauchte nicht deutlicher zu werden. Ich war schon draußen auf der Straße.
Ich überquerte die Straße und sah noch einmal zum Haus.
Still und friedlich. Verdunkelt mit farbenfrohen, heimeligen Gardinen. Fest zugezogen, vor einzelnen Fenster. Und ein Element fehlte: Nicht hinter einem einzigen Fenster schimmerte der entlarvende, blauweiße Schein eines Fernsehers. Das war eine harte Nuß. Ein Haus mit mindestens fünf bewohnten Wohnungen, mitten in der besten Sendezeit – und nicht ein einziger Fernsehapparat lief?
Ich blieb eineinhalb Stunden in der Straße. Ich pendelte auf und ab auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig. Ab und zu stand ich still, in gebührendem Abstand. Um zehn erloschen die Lichter in den Fenstern der A/S Hjemmehjelp. Es war jetzt ruhiger. Keiner kam, und keiner ging. Der Mann, den sie Teddy nannten, war zweimal an der Tür und beobachtete mich. Beim letzten Mal machte er eine drohende Bewegung mit dem einen Arm, so wie Elefanten mit dem Rüssel wedeln, wenn sie irritiert sind.
Ich nahm es als ein Zeichen und fuhr nach Hause. Ich fuhr langsam. Ich hatte vieles zu überdenken. Viel zuviel.
Ich parkte den Wagen in der Henrik Wergelandsgate. Unten in der Gasse war alles still und ruhig. Die Haustür war verschlossen. Ich schloß sie auf. Drinnen im Treppenhaus war es genauso still, genauso ruhig. Aber Atmosphäre ist etwas Merkwürdiges. Ich war gerade halb oben, da wußte ich, daß ich nicht allein war. Das Licht im Flur war kaputt, aber oben vor meiner Tür erkannte ich zwei Schatten, die sich im Dunkeln erhoben.
Sie hatten auf der Treppe gesessen. Jetzt standen sie da und warteten auf mich.
Es waren zwei Männer. Zwei große, dunkle Männer.
18
Nach ein paar Sekunden sah ich besser.
Die zwei Männer bewegten sich langsam auf mich zu, Stufe, für Stufe. Beide trugen einen Hut. Der rechte trug einen Mantel, der linke eine kurze Lederjacke.
»Und wo zum Teufel verbringst du deine Zeit, Veum?« fragte der linke.
»Bei dir zu Hause«, antwortete ich. Er hieß Ellingsen, und seine Frau war eine alte Klassenkameradin von mir.
»Haha.«
Der andere sagte: »Wir haben auf dich gewartet, Veum. Viel zu lange. Wir werden so verdammt ungeduldig vom Warten.« Er hieß Boe, und sie benutzten ihn, um kleine Kinder zu erschrecken. Keiner von ihnen zählte zu meinen nächsten Freunden. Keiner von ihnen hatte mich sonderlich lieb.
»Muus hat uns vor zweieinhalb Stunden gebeten, dich zu holen. Ich wette mit dir, daß der jetzt blendender Laune ist«, sagte Boe.
Sie waren stehengeblieben. Sie standen eine Stufe über mir.
Ich sah auf meine Uhr und sagte: »Muus – was will der um halb zwölf Uhr nachts?«
Ellingsen sagte mit milder Stimme: »Ich weiß nicht, was er um halb zwölf will. Aber ich weiß, was er um neun wollte. Wenn er da noch mit dir reden wollte, dann wird er dich jetzt schlachten wollen. Und zur Tagesordnung, Veum: Vibeke heute abend im Theater. Mit ihrer Mutter.«
»Ja, wir hatten uns geeinigt, daß sie das sagen sollte.«
»Ich –«, sagte Ellingsen laut, aber Boe unterbrach ihn: »Jaja, jaja! Wir haben einen Job zu erledigen, Veum. Also, los!«
Ich seufzte laut, machte auf der Treppe kehrt und ging ihnen voraus nach draußen. Glücklich draußen in der Gasse rückten sie jeder auf einer Seite dicht neben mich. Arm in Arm, wie drei süße Kleinkinder mit blauen Äuglein, bewegten wir uns durch Stølen. Dort hatten sie einen von ihren auffallend gut getarnten, neu lackierten schwarzen Volkswagen stehen, mit Radioantenne, Autotelefon und hundert Scheinwerfern, so daß niemand sehen sollte, daß es die Bullen waren, die da fuhren. Ellingsen und ich setzten uns auf den Rücksitz. Boe setzte sich ans Steuer.
Auf dem Weg zur Wache lehnte ich mich zu Ellingsen hinüber und fragte: »Sag mal, welches Deo benutzt du?«
Er antwortete nicht.
Ich sagte: »Wechsle die Marke. Vibeke mag es nicht. Und ich auch nicht.«
Dann sagte ich nichts mehr. Und die anderen auch nicht. Wir waren alle drei in Gedanken am selben Ort: bei Dankert Muus. Dem freundlichen und liebenswerten Dankert Muus.
Er mußte gerochen haben, daß wir kamen, denn wir waren kaum auf dem Korridor, als die Tür zu seinem Zimmer mit einem Krach aufflog und Muus selbst dastand und uns anblaffte. »Das hat ja wohl verdammt höllisch lang gedauert! Mußtet ihr ihn aus dem Dreck buddeln oder was?«
»Er – kam erst jetzt nach Hause«, sagte Boe friedlich.
»Und in der Zwischenzeit habt ihr goldene Eier gelegt, was?
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