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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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war – von dem Telefonanruf und wie ich hergekommen war und den Mann tot vorgefunden hatte.
    »Und das ist also der Mann, der sich für Ragnar Veide ausgab?« sagte Muus. Es klang skeptisch. »Nicht irgendein Penner, den du irgendwo aufgegabelt hast, um dir einen hilfreichen Beweis zu verschaffen?« Er zeigte die Zähne, um zu unterstreichen, daß er nur Spaß machte. Aber es war kein Spaß.
    Ich sagte: »Genau. Du wirst feststellen, daß der Revolver auf meinen Namen registriert ist.«
    Er warf mir einen schnellen Seitenblick zu. »Sag mal: Hast du überhaupt einen Waffenschein?«
    Ich wartete einen Moment, um noch ein wenig an seinen Nerven zu zerren. Dann schüttelte ich den Kopf und sagte. »Nein.«
    »Sonst müßte auch das zuständige Amt seine Vorschriften geändert haben«, konstatierte er. »Man verteilt keine Handgranaten an Kleinkinder.«
    »Aber wer zum Teufel ist er denn nun?« fragte Andersen, der links von mir stand, als Puffer zwischen mir und Muus.
    Es gab niemanden, der auf die Frage eine gute Antwort wußte. In der Zwischenzeit beobachteten wir alle interessiert einen der Spurensicherer mit einer dicken Brille in auffälliger, schwarzer Fassung – was ihn zusammen mit der kleinen, rundlichen Nase und dem fehlenden Kinn ein wenig an einen Waschbär aus der Zeichentrickserie erinnern ließ. Er durchsuchte die Taschen der Leiche, eine nach der anderen und äußerst systematisch. Alles vom kleinsten Staubkorn bis zum größten Fussel wurde fein säuberlich in kleine, durchsichtige Umschläge verpackt, zur späteren Auswertung in einem dafür geeigneten Labor. Aber außer Staubkörnern und Fusseln fand er auch nicht viel. »Keine Brieftasche. Kein Führerschein. Keine Zettel mit hilfreichen Telefonnummern.« Er kommentierte seinen Weg von Tasche zu Tasche, wie ein Chirurg, der während einer Routineoperation um seine Instrumente bittet.
    Ein Mann, der offensichtlich der medizinische Sachverständige war, näherte sich Muus und erzählte ihm mit einem Gesichtsausdruck, als plage ihn gerade sein Magengeschwür, daß die Leiche tot war. Das hatten wir alle schon lange gesehen, es war also keine medizinische Offenbarung. Die Todesursache war allem Anschein nach ein Schuß in die Stirn, und um das festzustellen, bedurfte es auch nicht viel Phantasie. Die Leiche war nicht alt, wußte er zu berichten. Aber das hatte ich schon längst erzählt. Mit anderen Worten: Bevor nicht das Skalpell in die Hand genommen wurde und die Tageslichtleuchten ihr stilles Licht über den Obduktionstisch warfen, war von diesem Sachverständigen nichts Neues zu erfahren. Also nickte Muus nur stumm und übersah ihn, wie ein Fachmann den anderen Fachmann übersieht, wenn der eine Fachmann sich nicht ganz auf heimischem Gebiet befindet.
    In der Zwischenzeit hatte der Mann von der Spurensicherung sich bis zur rechten Innentasche der Leiche vorgearbeitet. Die übrigen Taschen waren leer gewesen, abgesehen von einem zierlich zusammengelegten und offensichtlich unbenutzten Taschentuch in der rechten Jackentasche. Aber in der Innentasche war irgend etwas. Er fischte es vorsichtig heraus und hielt es in die Luft, so daß alle es sehen konnten. Es war eine Brille, seiner eigenen nicht unähnlich: große, dicke Gläser in schwarzer, dicker Fassung.
    Die Enttäuschung in der Versammlung war spürbar. Die Leiche hatte also eine Brille getragen. Er war also weitsichtig oder kurzsichtig gewesen. Also …
    Mir kam etwas in den Sinn. Eine Vorahnung. Ich betrachtete die Leiche mit anderen Augen. Die Konzentration holte den Kopfschmerz zurück, aber ich spürte ihn kaum. Eine irritierende Nervosität breitete sich in meinem Körper aus, vom Bauch her.
    Ich sah mich um. »Hat hier jemand einen Kamm?«
    Alle sahen mich verblüfft an. Muus sagte: »Willst du fürs Verbrecheralbum so hübsch wie möglich aussehen? Doch ja, vielleicht machen wir am besten ein Foto, bevor wir mit dem Verhör beginnen. Hinterher wirst du nicht gut aussehen.«
    Andersen reichte mir einen Kamm. Er war schmutzig und voll Fett und ein intimer Freund von dem, was er an Haar noch hatte. Aber es war ein Kamm.
    Ich trat an die Leiche heran und drehte mich um. »Erlaubt ihr?«
    »Was erlauben?« kläffte Muus.
    »Kannst du ihm die Brille aufsetzen?« fragte ich den Mann von der Spurensicherung, der sie in der Hand hielt.
    Der Mann sah zu Muus, der mit den Schultern zuckte und gleichzeitig nickte. Dann setzte er der Leiche die Brille auf. Es war noch immer derselbe Mann – mit dem

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