Das Haus mit der grünen Tür
einem weinerlichen Gesichtsausdruck an. Ich sagte: »Herr Veide, der Gast von Zimmer 323, hat er noch anderen Besuch gehabt?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Er ist selbst erst vor ein paar Stunden gekommen.«
»Und er hatte keinen Besuch?«
»Nix.«
Ich dachte nach. »Sind noch andere Gäste im Hotel?«
»Was?«
»Sind hier noch andere Gäste?«
Er hielt das Gästebuch in der Hand. Ich riß es ihm weg und blätterte selbst nach. Ich sah nach den Daten. Es waren nur zwei Gäste in dieser Woche, was kein Wunder war, wenn man wußte, daß sich das Etablissement hauptsächlich auf »Stundengäste« spezialisiert hatte. Die beiden Gäste waren Veide, der sich am selben Tag eingeschrieben hatte, und eine Frau Hansen, die sich am Tag zuvor eingeschrieben hatte.
»Diese Frau Hansen«, sagte ich. »Wer ist das?«
»Mit welchem Recht –«, begann er.
»Hör zu«, sagte ich und beugte mich über den Tresen. »Die Bullen werden im Laufe einer Viertelstunde hier sein. Sie werden einen bestimmten Fall untersuchen. Aber ich kann ihnen ein paar Sachen über diesen Zirkus hier erzählen, die ihnen die Augen öffnen werden. Es wird hinterher nicht mehr viel Sägespäne geben in der Manege, also wenn du deine Stellung als erster Clown behalten willst, dann tu mir den Gefallen und antworte auf meine Fragen. Okay?«
Er sah blaß aus, und er roch schlecht. Aber er nickte.
Ich sagte: »Also – diese Frau Hansen?«
Er zuckte mürrisch mit den Schultern. »Keine Ahnung. Kam gestern an. Sagte, sie wäre Vertreterin.«
»Vertreterin: Das ist ein zahmer Ausdruck. Wo ist sie jetzt?«
»Sie – ist abgereist, vor ungefähr einer halben Stunde. Sie wurde von einem Mann abgeholt und reiste ab.«
»Sie wurde von einem Mann abgeholt? Wer war das? Wie sah er aus?«
Er zuckte wieder mit den Schultern. »Ganz gewöhnlicher, gutgekleideter, sportlicher Typ. So zwischen 40 und 50.«
Ich beschrieb ihm Kvam.
»Nein. Er trug keine Brille, und er hatte leicht angegrautes Haar.«
Ich beschrieb Moberg. »Könnte er es gewesen sein?«
»Könnte oder auch nicht – doch, er könnte …«
»Und sie?«
»Sie war recht hübsch – und sah ein bißchen künstlerisch aus. Sie trug so ein Tuch um den Kopf und hatte ihr Haar darunter hochgesteckt. Ich konnte also nicht mal ihre Haarfarbe erkennen.«
»Du sahst also nicht … Scheiße, verdammte.« Ich versuchte, Frau Kvam zu beschreiben, aber wie beschreibt man eine hübsche Platinblondine, wenn der Mann nicht einmal ihre Haarfarbe erkannt hatte? Es war sinnlos.
In der Richtung kam ich nicht weiter. Ich sagte: »Im Laufe der letzten Stunde – hast du da was gehört? Ein Geräusch – das ein – Schuß hätte sein können?«
»Ein Schuß? Sag mal, was zum Teufel bedeutet das eigentlich? Ist was passiert mit … ist es – bedeutet das …« Er war hektisch geworden. Er begriff plötzlich, daß das mit der Polizei ernst war, und er dachte an all die stornierten Stundenreservierungen, die er im Laufe des Nachmittags, des Abends und der Nacht zu verzeichnen haben würde, wenn die Kundschaft das Aufgebot an Polizeiwagen vor der Tür sah.
Ich sagte: »Du hast einen toten Gast. Im Zimmer 323. Tu mir den Gefallen und ruf die Polizei an.«
Er war grauweiß geworden im Gesicht. »Tu’s doch selbst«, murmelte er und hatte Mühe, einen Ton rauszubringen.
Ich tat es selbst, und zehn Minuten später wimmelte es von Polizisten an der Rezeption, auf den Treppen und in den Fluren, sogar im Fahrstuhl, und nicht zu vergessen natürlich in Zimmer 323.
Und im Zentrum des Ganzen befand sich Dankert Muus. Als er mich sah, sagte er: »Das ist dann die zweite Leiche, Veum, in vier Tagen. Gar keine schlechte Bilanz, für einen Gauner wie dich. Komm mit hier rein und stell dich gut mit uns. Du wirst es noch brauchen. Verlaß dich drauf.«
41
Die Spurensicherung der Kripo ist eine der effektivsten Abteilungen der Polizei. Die Männer in den grauen Arbeitskitteln lassen sich selten von der Umgebung stören, und die fleißigen Ameisen hatten Zimmer 323 längst in Besitz genommen.
Die Inspektoren konnten vorläufig nicht viel anderes tun, als dastehen und Däumchen drehen und auf eventuelle Ergebnisse der eifrigen Arbeit warten. Zwei, drei von ihnen hielten sich an der Rezeption auf, der Rest versammelte sich um mich. Vorläufig sagte niemand etwas. Sie standen nur in einem Halbkreis um mich herum, wie um sicherzugehen, daß ich mich nicht aus dem Staub machte.
Ich erzählte unaufgefordert, was vorgefallen
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