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Das Haus Zeor

Das Haus Zeor

Titel: Das Haus Zeor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Lichtenberg
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benutzten dies, um zu beweisen, daß Gens nicht menschlich waren. Aber Valleroy hatte das Gefühl, daß die Wahrheit allein von den Haushalten gesehen wurde. Er erinnerte sich an die Art, wie Klyd seine Hand umfaßt hatte. „Schau dir unsere Hände an und sag mir, sie gehören nicht zusammen!“ Ein Sime und ein Gen waren nötig, um die Entsprechung eines Alten zu sein.
    Vielleicht.
    Ein anderer Gedanke kam ihm in den Sinn. Vielleicht wäre Zelerods Weltuntergang ein Segen, eine Möglichkeit, nur Simes überleben zu lassen, die mit Gens zusammenleben konnten, und Gens, die mit Simes zusammenleben konnten … Kanäle und Gefährten. Die Haushalte hemmten die Evolution. Aber dann, dachte Valleroy, hat das Vermeiden menschlichen Elends schon immer die Evolution behindert. Es würde einfach nur länger dauern, dorthin zu kommen, wohin immer sie gingen. Valleroy war nicht in Eile.
    Er schürte das Feuer und wanderte unruhig in der Höhle umher.
    Gens sahen genauso aus wie die Alten. Aber wie konnte man je herausfinden, ob die Alten Selyn produziert hatten? Als die Simes angefangen hatten, die Geschichte aufzuzeichnen, waren keine Alten mehr am Leben gewesen. Deshalb war alles, was die Simes hatten, eine ungenaue Überlieferung, daß es in der Zeit des Chaos ein paar Leute gegeben hatte, die wie Gens ausgesehen, jedoch kein Selyn-Feld-Potential gehabt hatten. Erwachsene, die so selyn-neutral waren wie Kinder …
    Aber dies war nur eine Sime-Überlieferung. Diese Ansicht war niemals bis zum Gen-Territorium durchgedrungen. Sie würde von Gens auch nie akzeptiert werden, es sei denn als pure Propaganda, die die Heiligkeit der Alten unterminieren sollte. Das war eine Heiligkeit, die zu respektieren Valleroy gelehrt worden war. Jetzt merkte er, wie sich dieser Respekt in Abneigung gegen die modernen Gen-Anschauungen verwandelte.
    Wenn Andle und seine selbstgerechten Anhänger die Bösewichter unter den Simes waren, so war die Kirche der Reinheit der Bösewicht unter den Gens. Beide verhinderten die Vereinigung, die für das rassische Überleben die einzige Chance war.
    Trotz des windgepeitschten Schnees, der um den Höhleneingang wirbelte, konnte Valleroy die Sterne sehen, wie Klyd sie bezeichnet hatte. Er empfand wieder eine neue Hingabe an das Ideal des Haushalters einer Sime-Gen-Union. Das war ein Ziel, wichtiger als das Leben einer jeden einzelnen Person.
    Plötzlich kam es Valleroy so vor, als sei er bis zu diesem Augenblick ein Kind gewesen, das sich um das größere Stück Zucker balgte. Von seinem neugefundenen Höhepunkt der Reife aus fragte er sich, was es gewesen war, das ihn all diese Jahre angetrieben hatte. Was spielte seine Kunst eigentlich für eine Rolle, wenn Zelerods Weltuntergang unvermeidlich war? Was konnte er mit seinem Talent bewirken, das auch in vierzig Jahren noch von Bedeutung sein würde?
    Diese Frage hallte in seinem Gehirn wider und wider, während draußen der stille Schnee in einer echolosen Fülle schräg vom Himmel fiel. Er schob einen weiteren Scheit ins Feuer und stand auf und streckte sich. Sein Körper war so taub von der Kälte, wie sein Verstand vom Schock der Erkenntnis taub war, daß alles, was er sich je gewünscht hatte, so unglaublich bedeutungslos war. Aber er hatte nichts, um das plötzliche Vakuum zu füllen – außer Klyds Idealismus. Er war eine brennende Realität für den Kanal, aber für Valleroy blieb er abstrakt.
    Bis auf die Knochen durchgefroren, kroch er neben dem Sime unter die Decken. Klyd rührte sich nicht einmal, und bald versank Valleroy in einem unbeständigen Schlummer, durchsetzt mit Stunden teilnahmslosen Tagträumens. Der dichte Schneevorhang hielt die Gefahr in Schach, während das bedrückende Warten die Eile abstumpfte, die sie beide bald zum Tod verdammen mochte – oder zu Schlimmerem.

 
Schrein des Sternenkreuzes
     
     
     
    Der frische, blaue Tagesanbruch verwandelte das windgeformte Schneefeld in funkensprühenden Glanz, der Valleroys Augen durchbohrte und seine Gedanken auf Schmerzspeere spießte. Aber den Kanal, der mit zäher Entschlossenheit durch die Schneeverwehungen voran stapfte, schien das Strahlen nicht zu stören.
    Solange sie auf der windgeschützten Seite der Felsblöcke blieben, die die Hänge säumten, mieden sie das schlimmste Eis, und der Schnee bot eine gewisse Griffigkeit. Klyd hatte darauf bestanden, daß sie sich Zeit ließen, ihre Socken über dem Feuer zu trocknen, bevor sie aufbrachen. Valleroy hatte gemerkt, wieviel

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