Das Haus Zeor
Willenskraft diese Verzögerung den Kanal gekostet hatte. Jetzt war er dankbar. Die Sonne stand hoch am Himmel, und der Tag wärmte sich angenehm auf, aber der Boden war noch immer kalt genug, um Erfrierungen zu verursachen.
Valleroy konnte es kaum erwarten, auf den Bergkamm zu kommen und in den Sonnenschein hinunterzusteigen, der das Tal vor ihnen erfüllte. Aber er war nicht mehr so neugierig auf diese Wärme, daß er die Vorsicht vergaß. Als sie endlich den Fuß des Treadlow-Passes erreichten und ihn gerade passieren wollten, rief er: „Klyd, warte einen Moment!“
Der Sime hielt an, den Blick auf den Paß gerichtet, der vor ihnen leicht anstieg. Valleroy kletterte über ein letztes Hindernis, stampfte Schnee von den Füßen, bückte sich und band das Hosenbein wieder um seinen Stiefel herum zu. „Du sagtest, dies sei der einzige Paß über der Bergkette. Es leuchtet ein, daß sie hier nach uns Ausschau halten. Spähen wir umher, bevor wir in eine Falle stolpern.“
„Es ist niemand hier. Die Runzi-Bande, die uns aus der Wegstation gescheucht hat, ist wahrscheinlich nach Valzor zurückgekehrt, um dort das Ende des Sturms abzuwarten. Sie werden fast einen Tag benötigen, bis sie von dort zurückkommen und mit der Suche anfangen können.“
„Bist du sicher, daß niemand in der Nähe ist?“
„Absolut. Aber das heißt nicht, daß wir die Vorsicht aufgeben sollten.“
Valleroy nickte. Sie hatten während der Nacht die Jagdschreie von Pumas gehört. Und ein gebrochenes Bein wäre das Ende für beide. Sie mochten vielleicht allein sein, aber sie waren noch immer in Gefahr und weit von zu Hause entfernt.
Sie wateten auf den Paß-Weg hinaus, benutzten lange Äste, um die Tiefe zu prüfen. Der Schnee erstreckte sich wie der Sand ruhig gewellter Dünen vor ihnen. Wenn sie nur Ski oder Schneeschuhe gehabt hätten, so hätten sie durch den Paß fliegen statt stapfen können!
Verbissen konzentrierte sich Valleroy darauf, festen Halt zu finden. Etwa auf halbem Weg durch den Paß entdeckte er einen Grat, der unter dem Schnee aufragte. Im Vergleich dazu, sich knietief im nassen Schnee zu wälzen, bot er eine günstige Gehfläche. Deshalb nahmen sie ihn im Gänsemarsch.
Schließlich und endlich kamen sie in den Sonnenschein hinaus. Es war wie das Erwachen aus einem Alptraum. Es war noch genug Wärme in der Spätherbstsonne, um den Schnee zu schmelzen, was auf dem Hügelhang, der vor ihren Füßen abfiel, unregelmäßige Flecken Fels und Gras sichtbar machte. Obwohl es später Nachmittag war, wärmte sich die Luft noch immer auf. Valleroy war sicher, daß bis zum Morgen der Großteil des Schnees verschwunden sein würde.
Sie hielten gerade lange genug an, um wieder zu Atem zu kommen, und gingen dann weiter, den trügerischen Hang hinunter. Es gab keinen Pfad, aber es war viel leichter, den Weg auf sichtbarem Fels hinunter zu wählen als über schmelzende Schneeverwehungen hinauf. Valleroy war naß bis auf die Haut und so durchkühlt, daß es weh tat, aber seine Stimmung hob sich. Selbst der wunde Hautflecken dort, wo seine vereisten Hosenbeine den ganzen Tag gescheuert hatten, schien nicht mehr so schlimm zu schmerzen. Wie auch immer – sie würden es schaffen!
Nahe dem Fuß des Hügels drehte sich Klyd um und schaute zurück. „Worüber bist du so glücklich?“
Lächelnd schloß Valleroy zu dem Kanal auf und blieb neben ihm stehen. Schatten verlängerten sich bereits zur Dämmerung. „Ich denke, das war der schlimmste Morgen, den ich je … Klyd, sieh mal!“
Als Klyd in die Richtung sah, in die der Gen zeigte, entdeckte er den Apfelbaum mit seiner Last rosiger, reifer Äpfel. „Komm!“ brüllte Valleroy und spurtete los. Aber trotz seines Vorsprunges kam Valleroy gerade noch rechtzeitig genug an, um zusehen zu können, wie Klyd rasend schnell den Baumstamm hinaufkletterte und ihn kräftig schüttelte. Das reife Obst regnete in einer donnernden Kaskade herunter.
Valleroy fing einen Apfel auf, der nur wenig von Vögeln zerhackt war, und biß hinein. Der Apfel war sauer und angefroren, aber dennoch mit Abstand der beste, den er je gekostet hatte. Bald hatte sich Klyd zu ihm gesellt, kauerte zwischen Haufen von Äpfeln, suchte die besten aus und legte sie auf eine Decke. „Heute abend wollen wir uns laben an Mutter Naturs prächtigsten Gaben.“
Valleroy lachte. „Sectuib Nashmar hatte recht. Zeor hat einen Dichter zum Sectuib!“
„Dieser Dichter ist im Augenblick ziemlich durchgefroren. Meinst du, du
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