Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
gehöre dir mit Haut und Haaren.«
»Ja, das weiß ich«, sagte sie, wobei sie mich hochzog und sanft in meinen Sitz zurückdrückte. »Aber fragst du mich das nur, damit wir beide … also, damit du mich …«
»Nein«, sagte ich schnell, denn es war mir unangenehm, dass sie so schlecht von mir denken konnte. »Nein, Soja, das meine ich nicht. Ich bitte dich darum, weil ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen möchte. Jeden Tag und jede Nacht davon. Für mich gibt es keine andere auf der Welt, das musst du wissen.«
»Und für mich gibt es auch keinen anderen, Georgi«, sagte sie leise. »Aber ich kann dich nicht heiraten. Noch nicht.«
»Aber warum denn nicht?«, fragte ich, wobei ich versuchte, den beleidigten Unterton zu kaschieren, der sich in meine Stimme einzuschleichen begann. »Wenn wir beide uns lieben, wenn wir einander versprochen sind, dann …«
»Georgi … denk nach, bitte.« Sie schaute weg, nachdem sie mir diese Worte praktisch zugeflüstert hatte, und ich begann sofort, mich zu schämen. Natürlich! Wie hatte ich nur so gefühllos sein können? Es war unerhört von mir, ihr die eheliche Verbindung zu einem solchen Zeitpunkt auch nur vorgeschlagen zu haben, aber ich war jung und liebestrunken und wünschte mir nichts sehnlicher, als mit dieser Frau für immer zusammen zu sein.
»Verzeih mir«, sagte ich leise, nachdem ein paar Augenblicke verstrichen waren. »Das war gedankenlos und rücksichtslos von mir.« Sie schüttelte den Kopf, und ich sah, dass sie den Tränen nahe war. »Ich werde … ich werde nicht mehr davon anfangen. Ich meine, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist«, fügte ich hinzu, denn ich wollte ihr klarmachen, dass dies ein Thema war, das ich nicht vergessen würde. »Erlaubst du mir, dass ich eines Tages darauf zurückkommen kann, Soja? Irgendwann in der Zukunft?«
»Ja, ich werde in der Hoffnung darauf leben«, erwiderte sie, wobei ihr Lächeln wieder zurückkehrte. Für mich waren wir beide nun verlobt, und der Gedanke ließ mein Herz höherschlagen.
Und so trafen wir auf den Hügeln von Montmartre ein, wo wir an zig Türen klopften, auf der Suche nach einer Unterkunft. Wir hatten kein Gepäck und keine andere Kleidung als die Lumpen, die wir am Leibe trugen. Wir hatten keine Habseligkeiten. Wir hatten kaum Geld. Wir waren in einem eigenartigen Land eingetroffen, um dort ein neues Leben zu beginnen, und alle Besitztümer, die wir fortan erwarben, würden auf diese neue Existenz verweisen. Tatsächlich hatten wir aus unserem alten Leben nichts mitgenommen außer uns selbst.
Doch das, so glaubte ich, war alles, was wir brauchten.
In jenem Winter feierten wir zweimal Weihnachten.
Mitte Dezember luden uns unsere Freunde Leo und Sophie zu einem Festessen am fünfundzwanzigsten, dem traditionellen christlichen Feiertag, in ihre Wohnung nahe dem Place du Tertre ein. Ich war mir nicht sicher, wie Soja mit so einer Feier zurechtkommen würde, und deshalb schlug ich vor, Weihnachten völlig zu ignorieren, den Nachmittag damit zu verbringen, am Ufer der Seine entlangzuspazieren und den außergewöhnlichen Frieden zu genießen, den uns dieser Tag bescheren würde – nur wir beide.
»Aber ich möchte zu Leo und Sophie gehen, Georgi«, sagte sie zu mir, wobei sie mich mit ihrem Enthusiasmus überraschte. »Das wird sicher sehr lustig! Und etwas Spaß könnten wir beide doch gut gebrauchen, oder?«
»Ja, natürlich«, sagte ich, von ihrer Antwort erfreut, denn ich wollte ebenfalls gern hingehen. »Aber nur, wenn du dir wirklich sicher bist. Es könnte ein schwerer Tag werden, unser erstes Weihnachten, seit wir Russland verlassen haben.«
»Ich glaube«, erwiderte sie langsam, wobei sie einen Augenblick zögerte und sich die Sache gründlich durch den Kopf gehen ließ, »ich glaube, es ist eine gute Idee, diesen Tag gemeinsam mit Freunden zu verbringen. Dann hat man weniger Zeit, Trübsal zu blasen.«
In den fünf Monaten, die seit unserer Ankunft in Paris verstrichen waren, hatte sich Soja verändert. Zu Hause in Russland war sie lebhaft und amüsant gewesen, keine Frage, doch in Paris hatte sie ihre Reserviertheit zunehmend aufgegeben und war nun wesentlich lockerer, was ihre Gefühlsäußerungen betraf. Diese Veränderung bekam ihr gut. Sie war nach wie vor völlig unverdorben, hatte sich aber für die Genüsse geöffnet, die ihr die Welt zu bieten hatte, obwohl unsere traurige finanzielle Situation uns dafür kaum Möglichkeiten bot. Es gab allerdings auch Momente,
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