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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Durchschuss, und das ist dein Glück gewesen. Ein bisschen weiter nach rechts, und dein Arm wäre jetzt möglicherweise gelähmt, oder du wärst vielleicht sogar verblutet. Der Schmerz wird noch ein paar Tage anhalten, aber du wirst keinen bleibenden Schaden davontragen. Eine kleine Narbe, vielleicht.«
    Ich schluckte – mein Mund war so trocken, dass mir die Zunge förmlich am Gaumen klebte – und bat meine Mutter um etwas zu trinken. Sie rührte sich nicht, sondern stand einfach bloß da, mit weit aufgerissenem Mund, als wäre sie zu verängstigt, um an der Szene, die sich vor ihren Augen abspielte, teilzunehmen, und so musste der Großfürst für sie einspringen. Er nahm die an seiner Taille befestigte Taschenflasche und füllte diese aus einem Fass, das in der Nähe stand, bevor er sie mir reichte. Die prächtige Lederverkleidung der Flasche schüchterte mich dermaßen ein, dass ich mich kaum traute, daraus zu trinken, insbesondere als ich darauf das mit goldenem Garn gestickte kaiserliche Siegel der Romanows erblickte, doch mein Durst war so stark, dass ich nicht lange zögerte und den Inhalt gierig hinunterschüttete. Das Gefühl, wie das eiskalte Wasser in meinen Körper hineinfloss und durch meine Gedärme strömte, vermochte den Schmerz in meiner Schulter für einige Augenblicke zu lindern.
    »Du weißt, wer ich bin?«, fragte mich der Großfürst, wobei er sich nun zu seiner ganzen Größe aufrichtete und den Raum mit seiner stattlichen Erscheinung ausfüllte. Mindestens einen Meter achtundneunzig. Gut aussehend und imposant. Und jener außergewöhnliche Schnauzbart, der ihn noch würdiger und majestätischer erscheinen ließ. Ich schluckte und nickte schnell mit dem Kopf.
    »Ja«, erwiderte ich schwächlich.
    »Du weißt, wer ich bin?«, wiederholte er nun lauter, sodass ich dachte, ich hätte ihn irgendwie verärgert.
    »Ja«, sagte ich erneut, wobei ich meine volle Stimme wiedergewann. »Sie sind der Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch, der Oberbefehlshaber des Heeres und der Vetter Seiner Kaiserlichen Hoheit Zar Nikolaus II .«
    Er schmunzelte ein wenig, und sein Körper machte einen leichten Ruck, als er mich mit einem kurzen Lachen bedachte. »Jaja«, sagte er, offenbar unbeeindruckt von meiner mustergültigen Antwort. »Dein Gedächtnis funktioniert also noch, Junge. Wenn du dich so gut erinnern kannst, weißt du vielleicht auch noch, was vorhin passiert ist, oder?«
    Ich richtete mich ein wenig auf, wobei ich den stechenden Schmerz ignorierte, der durch meine linke Seite fuhr, von der Schulter bis zum Ellbogen, und schaute hinunter auf meinen Körper. Ich lag auf der schmalen Hängematte, die mir als Bett diente, und sah, dass ich Hosen, aber keine Schuhe anhatte. Ich war peinlich berührt, als ich die an meinen nackten Füßen haftende, vom Boden unserer Hütte stammende Schmutzschicht erblickte. Die saubere Bluse, die ich eigens für die Parade des Großfürsten angezogen hatte, lag zusammengeknüllt neben mir auf dem Boden und war nun nicht mehr weiß, sondern von schwarzen und dunkelroten Flecken verunstaltet. Ich trug kein Hemd, und meine Brust war blutverschmiert von der Wunde an meinem Arm, die fest mit Bandagen umwickelt war. Ich fragte mich verdutzt, wo man wohl dieses Verbandszeug aufgetrieben hatte, doch dann erinnerte ich mich an die Soldaten, die durch unser Dorf gezogen waren, und nahm an, dass mich einer von ihnen mit ihrem Sanitätsmaterial verarztet hatte.
    Und dies wiederum weckte mit einem Mal meine Erinnerung an die Ereignisse des Nachmittags.
    Die Parade. Das weiße Kavalleriepferd. Der Großfürst, wie er rittlings darauf saß.
    Und unser Nachbar. Boris Alexandrowitsch. Sein Sohn, mein bester Freund, Kolek Borisowitsch.
    Die Schusswaffe.
    »Eine Pistole«, schrie ich lauthals und sprang auf, so als würde sich das Ganze noch einmal abspielen, direkt vor meinen Augen. »Er hat eine Pistole!«
    »Reg dich nicht auf, Junge«, sagte der Großfürst, wobei er mir auf die unverletzte Schulter klopfte. »Es gibt jetzt keine Pistole mehr. Du hast etwas Großes getan. Weißt du noch, was passiert ist?«
    »Ich … ich bin mir nicht sicher«, erwiderte ich und versuchte, mich krampfhaft daran zu erinnern, was ich getan haben mochte, um ein solches Kompliment zu verdienen.
    »Mein Sohn ist schon immer ein tapferer Junge gewesen, Euer Durchlaucht«, sagte Daniil und trat aus dem hinteren Ende der Hütte hervor. »Und für Euch hätte er zweifellos sein Leben hingegeben.«
    »Es hat einen

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