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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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ihm in die Augen traten. »Aber mit dieser Krankheit ist nicht zu spaßen, verstehst du.«
    »Sie ist doch eine zähe alte Lady«, sagte er, woraufhin ich lächeln musste.
    Ich nickte. »Ja«, sagte ich. »Ja, das ist sie.«
    »Ich habe von Menschen gehört, die es schaffen, den Krebs zu besiegen.«
    »Ja, das habe ich auch«, erwiderte ich, obwohl ich ihm eigentlich keine falschen Hoffnungen machen wollte. Soja und ich hatten uns bereits seit Wochen über ihre Entscheidung gestritten, auf eine ärztliche Behandlung zu verzichten und es dem Krebs zu gestatten, sich in ihrem Körper auszubreiten und sie dahinscheiden zu lassen, wenn er schließlich genug von ihr hatte. Ich hatte buchstäblich alles versucht, um sie von diesem Vorhaben abzubringen, doch ohne Erfolg. Sie hatte einfach entschieden, dass ihre Zeit gekommen sei.
    »Ruf mich an, wenn ihr mich braucht, ja?«, hatte Michael mit eindringlicher Stimme gesagt. »Mich oder Dad. Wir werden hier sein, wann immer ihr etwas braucht. Und ich werde jetzt öfter bei euch vorbeischauen, okay? Zweimal die Woche, wenn ich es schaffe. Und sag Großmutter, sie soll nicht für mich kochen. Ich werde vorher etwas essen.«
    »Willst du sie beleidigen?«, fragte ich empört. »Du wirst essen, was sie dir auf den Tisch stellt, Michael!«
    »Na, gut … von mir aus«, sagte er achselzuckend, wobei er mit der Hand durch seine schulterlangen Haare fuhr und mich mit seinem charakteristischen knappen Lächeln bedachte. »Ich wollte ja bloß sagen, dass ich auf alle Fälle hier bin. Ich werde London nicht verlassen.«
    Er ist immer ein guter Enkelsohn gewesen. Wir sind immer stolz auf ihn gewesen. Nachdem er gegangen war, gestanden wir uns beide ein, wie sehr uns seine Anteilnahme gerührt hatte.
    »Eine Reise?«, fragte ich, von ihrem Vorschlag überrascht. »Bist du sicher, dass du das auch schaffen wirst?«
    »Ja, ich glaube schon«, sagte sie. »Jetzt ginge es jedenfalls noch. Doch in ein paar Monaten … wer weiß?«
    »Du möchtest nicht lieber hierbleiben und dich schonen?« »Und sterben, willst du wohl sagen?«, fragte sie, wobei sie diese Worte noch im selben Moment zu bedauern schien, als sie den bestürzten Ausdruck auf meinem Gesicht registrierte. Sie beugte sich zu mir herüber, um mich zu küssen. »Es tut mir leid«, beteuerte sie. »Ich hätte das nicht sagen dürfen. Aber ich sehe die Sache so, Georgi: Ich kann hier herumsitzen und auf das Ende warten, oder ich kann die Zeit, die mir noch bleibt, auf eine angenehme Weise nutzen.«
    »Nun, ich denke, wir könnten mit der Bahn irgendwo hinfahren, für ein oder zwei Wochen«, sagte ich, nachdem ich kurz darüber nachgedacht hatte. »Als wir noch jünger waren, hat es uns doch unten an der Südküste so gut gefallen.«
    »Ich habe nicht an Cornwall gedacht«, sagte sie rasch, wobei sie den Kopf schüttelte, und jetzt war ich an der Reihe, meine Worte zu bedauern, denn der Name dieses Landstrichs weckte Erinnerungen an unsere Tochter, Erinnerungen, die mit Trauer und Wahnsinn verbunden waren.
    »Schottland vielleicht«, schlug ich vor. »Da sind wir noch nie gewesen. Und Edinburgh soll sehr schön sein. Oder ist das zu weit weg? Nehmen wir uns vielleicht zu viel vor?«
    »Man kann sich nie zu viel vornehmen, Georgi«, sagte sie mit einem Lächeln.
    »Schottland also nicht«, sagte ich, wobei ich mir eine Landkarte von Großbritannien vorstellte und diese im Geist überflog. »Da ist es um diese Jahreszeit ohnehin zu kalt. Und Wales, denke ich, kommt auch nicht in Frage. Der Lake District vielleicht? Das idyllische Refugium von Wordsworth? Oder Irland? Wir könnten die Fähre hinüber nach Dublin nehmen, wenn du dir sicher bist, dass du das schaffst. Oder wir könnten dort in den Süden fahren, nach West Cork. Da soll es auch sehr schön sein.«
    »Ich habe an etwas gedacht, das weiter im Norden liegt«, sagte sie, und ihr Tonfall verriet mir, dass dies kein leeres Geplauder war, sondern eine Sache, mit der sie sich schon seit geraumer Zeit beschäftigte. Sie wusste ganz genau, wohin sie reisen wollte, und etwas anderes würde für sie nicht in Frage kommen. »Ich habe an Finnland gedacht«, sagte sie schließlich.
    »Finnland?«
    »Ja.«
    »Aber warum ausgerechnet Finnland?«, fragte ich, von ihrer Wahl überrascht. »Das ist so … also, ich meine, Finnland ! Da gibt es doch nichts zu sehen?«
    »Aber natürlich, Georgi«, sagte sie seufzend. »Das ist ein richtiges Land, so wie jedes andere auch.«
    »Aber du hast dich

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