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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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aufzusuchen. Als sie zurückkehrte, erzählte sie mir, er habe eine Reihe von Tests gemacht, und zwei Wochen später wurden meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, als sie an eine Fachärztin überwiesen wurde, Dr. Joan Crawford, die seitdem zu einem festen Bestandteil unseres Lebens geworden ist.
    Es kommt mir merkwürdig vor, dass ich die Nachricht von Sojas Krankheit schlechter aufnahm als sie selber. Gott möge mir vergeben, aber sie schien erleichtert zu sein, fast schon glücklich, als die Tests abgeschlossen waren und sie mich von dem Ergebnis unterrichtete, mit großer Rücksicht auf meine Gefühle, aber ohne jegliche Angst oder Bestürzung, was ihren eigenen Zustand betraf. Sie weinte nicht, aber mir schossen die Tränen in die Augen. Sie schien weder Wut noch Angst zu verspüren, zwei Gefühle, die mich während der folgenden Tage immer wieder übermannten. Es kam mir so vor, als hätte sie … nun ja, nicht gerade eine gute Nachricht erhalten, aber doch eine interessante Information, mit der sie nicht völlig unzufrieden war.
    Eine Woche später saßen wir dann beide in Dr. Crawfords Büro und warteten auf sie. Soja wirkte völlig entspannt, während ich nervös auf meinem Stuhl hin und her rutschte und die eingerahmten Zeugnisse musterte, die an der Wand hingen. Ich redete mir ein, dass jemand, der auf diese Krankheit spezialisiert war und so viele Befähigungsnachweise von renommierten Universitäten besaß, zweifellos auch wissen müsste, wie sie zu bekämpfen war.
    »Mr und Mrs Jatschmenew«, sagte Dr. Crawford, als sie den Raum betrat, ein wenig verspätet, aber energisch, ihr Gebaren durch und durch geschäftsmäßig. Obwohl sie uns nicht kühl oder von oben herab behandelte, spürte ich sofort, dass ihr ein gewisses Mitgefühl fehlte, was Soja darauf zurückführte, dass sie sich tagaus, tagein mit Patienten befasste, die alle an derselben Krankheit litten, und dass es für sie schwierig sei, jeden Fall als so tragisch zu empfinden, wie er es für die Angehörigen der Kranken war. »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Aber Sie können sich sicher vorstellen, dass es hier von Tag zu Tag immer mehr zu tun gibt.«
    Für mich war es nicht gerade eine Beruhigung, dies zu hören, doch ich sagte nichts, als sie die vor ihr auf dem Tisch liegende Krankenakte durchblätterte, wobei sie einmal ein Röntgenbild gegen das Licht hielt und es eingehend betrachtete, allerdings ohne dass ihrer Miene etwas zu entnehmen war. Schließlich klappte sie die Mappe zu, legte ihre Hände darauf und schaute uns beide an, wobei sie ihre Lippen zu einem, wie ich fand, angedeuteten Lächeln schürzte.
    »Jatschmenew«, sagte sie. »Das ist ein ungewöhnlicher Name.«
    »Das ist Russisch«, erwiderte ich schnell, denn der Sinn stand mir nicht nach Smalltalk. »Sie haben die Krankenakte meiner Frau gelesen, Frau Doktor?«
    »Ja, und heute Morgen hatte ich eine Unterhaltung mit Ihrem Hausarzt, Dr. Cross. Er hat Sie über Ihren Zustand ins Bild gesetzt, Mrs Jatschmenew?«
    »Ja«, sagte sie mit einem Kopfnicken. »Er hat mir gesagt, dass ich Krebs habe.«
    »Präziser gesagt, Eierstockkrebs«, erwiderte Dr. Crawford, wobei sie die vor ihr liegenden Papiere mit beiden Händen glatt strich, eine Geste, die mich aus irgendeinem Grund an schlechte Schauspieler denken ließ, die nie wissen, was sie auf der Bühne mit ihren Händen anstellen sollen – vielleicht war dies ja meine Art, mich so weit wie möglich aus dem Gespräch herauszuhalten. »Sie haben schon seit einiger Zeit Schmerzen, nehme ich an.«
    »Es gab gewisse Symptome, ja«, antwortete Soja vorsichtig, in einem Tonfall, aus dem hervorging, dass sie nicht getadelt werden wollte, weil sie erst so spät einen Arzt aufgesucht hatte. »Hin und wieder Schmerzen im Rücken, Erschöpfung, eine leichte Übelkeit, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich bin achtundsiebzig, Dr. Crawford. Seit zehn Jahren wache ich jeden Morgen mit einem anderen Zipperlein auf.«
    Die Ärztin lächelte und nickte, wobei sie einen Moment lang innehielt, bevor sie mit einer sanfteren Stimme weiterredete. »Dies ist natürlich nichts Ungewöhnliches bei Frauen in Ihrem Alter. Ältere Frauen haben ein höheres Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, obwohl dies normalerweise in einem Alter von Mitte fünfzig bis Mitte siebzig geschieht. Dass der Krebs sich, wie in Ihrem Fall, erst so spät im Leben herausbildet, ist relativ selten.«
    »Ich wollte schon immer etwas Besonderes sein«, sagte

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