Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
Soja mit einem Lächeln.
Dr. Crawford erwiderte ihr Lächeln, und die beiden Frauen blickten sich für eine kurze Weile gegenseitig an, als wüssten sie etwas über die andere, das ich zwangsläufig nicht wusste. Ich fühlte mich fürchterlich ausgeschlossen.
»Darf ich Sie fragen, ob es in der Krankengeschichte Ihrer Familie schon irgendwelche Fälle von Krebs gegeben hat?«, fragte Dr. Crawford sie dann.
»Nein«, sagte Soja. »Ich meine, ja, Sie dürfen mich fragen. Aber nein, es hat keine solchen Fälle gegeben.«
»Und Ihre Mutter? Ist sie eines natürlichen Todes gestorben?«
Soja zögerte nur einen kurzen Moment, bevor sie antwortete. »Meine Mutter hatte keinen Krebs.«
»Ihre Großmutter? Irgendwelche Schwestern oder vielleicht Tanten?«
»Nein«, sagte sie.
»Und wie steht’s mit ihrer persönlichen Krankengeschichte? Haben Sie in Ihrem Leben irgendwelche größeren Traumata erlitten?«
Nach einem kurzen Moment der Unschlüssigkeit brach Soja angesichts der Frage der Ärztin in prustendes Gelächter aus, woraufhin ich mich zur Seite drehte und sie überrascht anschaute. Als ich den hysterischen Ausdruck auf ihrem Gesicht wahrnahm, ihr krampfhaftes Bemühen, vor Belustigung und Kummer nicht zittern zu müssen, da wusste ich nicht, ob ich in ihr Gelächter einstimmen oder die Hände vors Gesicht schlagen sollte. Plötzlich wünschte ich mir, woanders zu sein. Ich wünschte mir, all dies wäre nicht geschehen. Es war zweifellos eine Wortwahl, wie sie unglücklicher nicht hätte sein können, doch Dr. Crawford schaute Soja einfach nur an und nahm deren Lachen kommentarlos zur Kenntnis. Ich vermutete, dass sie bei Gesprächen wie diesen jede Menge bizarrer Reaktionen erlebte.
»Medizinische Traumata habe ich keine erlitten«, sagte Soja schließlich, wobei sie sich wieder in den Griff bekam und das erste Wort ihres Satzes betonte. »Ich habe kein leichtes Leben gehabt, Dr. Crawford, aber ich bin immer bei guter Gesundheit gewesen.«
»Ja, natürlich«, sagte sie mit einem Seufzer, als verstünde sie ihre Patientin nur zu gut. »Frauen aus Ihrer Generation haben sehr viel durchmachen müssen. Zum Beispiel im Krieg.«
»Ja, der Krieg«, sagte Soja, nachdenklich nickend. »Es hat ja so viele Kriege gegeben.«
»Frau Doktor«, unterbrach ich sie und schaltete mich damit zum ersten Mal in das Gespräch ein. »Eierstockkrebs – ist das heilbar? Können Sie meiner Frau irgendwie helfen?«
Sie schaute mich mit einem gewissen Mitleid an, denn sie wusste natürlich, dass der Ehemann von allen im Raum Anwesenden wahrscheinlich die meiste Angst hatte. »Ich befürchte, die Krebszellen haben bereits begonnen, sich auszubreiten, Mr Jatschmenew«, sagte sie ruhig. »Und ich denke, Sie wissen, dass die medizinische Wissenschaft derzeit noch nicht mit einer erfolgreichen Therapie aufwarten kann. Wir können also nichts weiter tun, als die Schmerzen unserer Patienten so weit wie möglich zu lindern und ihnen so viel Hoffnung auf eine Verlängerung ihres Lebens zu machen, wie wir können.«
Ich starrte auf den Fußboden, denn ich verspürte angesichts dieser Worte eine gewisse Benommenheit, obwohl ich in Wahrheit gewusst hatte, dass sie genau dies sagen würde. Ich hatte bereits Wochen an meinem üblichen Tisch in der British Library verbracht und mich ausführlich über die Krankheit informiert, von der Dr. Cross gesprochen hatte, und ich wusste nur zu gut, dass es keine Therapie gab. Es bestand jedoch noch immer Hoffnung, und daran klammerte ich mich.
»Es gibt noch einige zusätzliche Tests, die ich gern machen würde, Mrs Jatschmenew«, sagte sie und wandte sich wieder meiner Frau zu. »Natürlich werden wir noch eine zweite Untersuchung des Beckenbereichs vornehmen. Und ein paar Bluttests, eine Ultraschalluntersuchung, einen Kontrasteinlauf, mit dem wir das Ausmaß des Krebses feststellen können. Selbstverständlich werden wir auch noch ein oder zwei Computertomografien machen. Wir müssen herausfinden, wie weit sich der Krebs von den Eierstöcken in den Beckenbereich ausgebreitet hat und ob er bereits in der Bauchhöhle angelangt ist.«
»Aber was ist mit den Behandlungen, Frau Doktor?«, unterbrach ich sie, wobei ich mich zu ihr vorbeugte. »Was können Sie tun, damit es meiner Frau besser geht?«
Sie schaute mich an, ein wenig gereizt, wie ich fand, so als sei sie es gewohnt, sich mit am Boden zerstörten Ehemännern befassen zu müssen, obwohl ihr Interesse einzig und allein ihren Patientinnen
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