Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
heute Abend besuche, Georgi. Um dir zu danken.«
Ich runzelte die Stirn und starrte ihn an. »Um mir zu danken?«, wiederholte ich unsicher.
»Aber natürlich. Ihre Majestät, die Zarin, ist in letzter Zeit fast ausschließlich mit der Gesundheit ihres Sohnes beschäftigt gewesen. Und sie befürchtet, sie könnte … sie könnte dir gegenüber ein wenig unfreundlich gewesen sein.«
»Nein, davon kann keine Rede sein, Vater Grigori«, log ich. »Sie ist die Kaiserin. Sie kann mich behandeln, wie es ihr beliebt.«
»Ja, aber wir hielten es für wichtig, dich wissen zu lassen, wie sehr man dich schätzt.«
»Wir?«
»Die Zarin und ich.«
Angesichts dieser Formulierung zog ich erstaunt eine Augenbraue hoch. »Nun, es besteht kein Grund, mir zu danken«, sagte ich schließlich, von seinen Worten verwirrt und nicht davon überzeugt, dass die Zarin jemals etwas Derartiges gesagt oder ihn überhaupt mit dieser Mission betraut hatte. »Und versichert Ihrer Majestät bitte, dass ich alles Menschenmögliche tun werde, damit sich so ein Unfall in Zukunft nicht wiederholt.«
»Du bist nicht nur ein hübscher Junge, nicht wahr?«, fragte er ruhig und machte einen Schritt auf mich zu, sodass uns nur noch ein paar Zentimeter trennten, während ich mich mit dem Rücken an die Wand presste. »Du bist auch ein sehr loyaler Junge.«
»Das hoffe ich«, erwiderte ich und wünschte mir, er würde endlich verschwinden.
»Jungen in deinem Alter sind nicht immer so loyal«, sagte er, wobei er so nahe an mich heranrückte, dass ich seinen fauligen Atem riechen und seinen Körper spüren konnte, den er gegen den meinen zu drücken begann. Es drehte mir den Magen um, und mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er geschickt worden war, um mich umzubringen. Doch er legte nur seinen Kopf ein wenig zur Seite und lächelte gespenstisch. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Tod und Verderben, und die ganze Zeit über fixierte er mich mit diesen grässlichen Augen. »Du bist gegenüber der gesamten Familie loyal«, säuselte er leise und strich mir mit einem Finger vom Halsansatz bis zum Ellbogen. »Hier hast du eine Kugel aufgefangen, die einem von ihnen gegolten hat«, flüsterte er, wobei er exakt an der Stelle innehielt, wo Koleks Kugel in meine Schulter eingedrungen war. »Und hier würdest du eine Kugel auffangen, die dem Jungen gilt«, sagte er und legte mir dabei eine seiner Handflächen auf die Brust, woraufhin mein Herz wie wild zu pochen begann. »Aber wo wirst du sein, wenn die Kugeln abgefeuert werden?«
»Vater Grigori«, flüsterte ich, denn nun wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass er mein Zimmer auf der Stelle verlassen würde, »bitte … ich bitte Euch.«
»Wo wirst du dann sein, Georgi? Wenn die Türen auffliegen und die Männer mit ihren Revolvern hereinkommen? Wirst du die Kugeln dann auffangen, oder wirst du dich wie ein Feigling draußen zwischen den Bäumen verstecken?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht«, schrie ich, von seinen Worten völlig konsterniert. »Was für Männer? Was für Kugeln?«
»Du würdest dich vor das Mädchen stellen, habe ich recht?«
»Welches Mädchen?«
»Du weißt, welches Mädchen, Georgi«, sagte er, seine Hand lag nun flach auf meinem Bauch, und ich wartete darauf, dass er das Messer zückte, um es mir in die Eingeweide zu stoßen und mit der Klinge so lange darin herumzufahren, bis ich tot war. Er wusste Bescheid, so viel stand fest. Er hatte die Wahrheit über mich und Anastasia herausbekommen, und nun hatte man ihn geschickt, um mich wegen meiner Unbedachtheit ins Jenseits zu befördern. Ich würde es nicht abstreiten. Ich liebte sie, und wenn dies mein Verderben sein sollte, so konnte ich nichts daran ändern. Ich schloss die Augen und wartete darauf, dass mein Fleisch durchbohrt werden würde und das aus meiner Bauchhöhle spritzende Blut meine nackten Füße mit seiner klebrig-feuchten Wärme benetzte. Doch die Sekunden verstrichen, und dann die Minuten, ohne dass etwas Derartiges passierte, ohne dass mich eine scharfe Klinge zerfetzte, und als ich die Augen öffnete, war er verschwunden. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen.
Schweißüberströmt und zitternd vor Angst klappte ich zusammen und vergrub meinen Kopf zwischen den Händen. Der Starez wusste alles! Daran bestand kein Zweifel. Aber wem würde er es erzählen? Und wenn sie es erfuhren, was würde dann mit mir geschehen?
Fürstin
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