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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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einen neuen Himmel und neue Götter.
    Schließlich fühlten sich die alten Götter überwunden und nahmen Trisanku zu sich. Es vergingen weitere tausend Jahre.
    Brahma begrüßte den Büßer jetzt als Weisen, aber immer noch nicht als Brahmanen. Der König büßte weiter. Die Götter schickten ihm eine ihrer lieblichsten Apsaras, eine Elfe, die ihn verführte. Er büßte doppelt. Nach weiteren tausend Jahren begrüßte Brahma ihn als großen Weisen. Aber das genügte dem königlichen Büßer immer noch nicht. Tausend Jahre stand er auf einem Bein wie ein Pfahl, die Arme zum Himmel erhoben; er sprach kein Wort; er atmete nicht. Alle
    Anfechtungen prallten an seinem starken Büßerwillen ab.
    Rauch brach aus seinem Haupt, die Welten bebten, die Sonne verschwand hinter einem dichten Schleier und drohte zu erlöschen. Da flehten die Götter zu Brahma, er möge
    Visvamitras Wunsch erfüllen; denn die Kraft seiner Buße bedrohe die ganze Welt. Nun erst gab Brahma nach. Er erhob den König in den Rang eines Brahmanen. Der Streit um die Kuh wurde beigelegt.

    Der Born der Verjüngung

    CYAVANA, der Sohn des Bhrigu, war allein zurückgeblieben, während sein Vater in die Welt der Himmlischen einging. Er war sehr alt; er sah fast gespenstisch aus. Er stand an einem Teich, unbeweglich wie ein Pfosten; er machte gewaltige Büßübungen. Er stand schon so lange, daß die Ameisen über ihn einen Erdhügel gebaut hatten. Nur die beiden Augen des Asketen leuchteten wie Glühwürmchen aus dem Bau. Um
    diese Zeit kam König Sharyata Manava mit seinem ganzen Clan in die Nähe des Teiches. Seine Tochter war noch jung.
    Sie tollte mit ihren Gespielinnen durch den Wald und stieß bei dieser Gelegenheit auf den Ameisenhaufen. Sie erkannte die Augen nicht als Augen eines Lebewesens. Sie war übermütig und vor allem neugierig; sie bohrte mit einem Dorn in den leuchtenden Kugeln und stach dabei dem Asketen die Augen aus. Der Heilige wurde sehr zornig. Er schlug das Heer des Königs mit Harnverhaltung und Stuhlverstopfung. Der König forschte lange vergeblich nach der Ursache dieses Unglücks.
    Als sich endlich herausstellte, daß der große Heilige beleidigt worden war, ließ der König den Wagen anspannen, nahm seine Tochter zu sich und fuhr zu dem Büßer. Er eilte auf dem kürzesten Weg zu ihm, fiel auf sein Angesicht vor ihm und sagte: »O Rishi! Verneigung dir! Weil sie’s nicht wußte, hat sie dich verletzt! Hier ist Sukanya (die schöne Maid), meine Tochter! Durch sie bitten wir dich alle um Vergebung!« Der Büßer aber war erst versöhnt, als der König ihm seine Tochter zur Frau gab. So wurde das junge Mädchen die Gattin des gebrechlichen Greises. Eines Tages kamen die zwei
    unzertrennlichen Gottheiten vorbei, die Ashvins, die himmlischen Nothelfer, die Ärzte, die Seelentröster, die den alternden Jungfrauen Männer und den Greisen neue Jugend verschaff en. Sie kamen in der Morgenfrühe in ihrem schnellen Wagen, als die junge Frau gerade aus dem Bade stieg. Da riefen sie ihr zu: »Komm zu uns beiden, Sukanya! Wie kannst du nur bei diesem gespenstischen Alten liegen!« Sie erwiderte:
    »So lange ich lebe, werde ich den nicht verlassen, dem mich mein Vater gab.« Da kam der Rishi dazu und wollte wissen, was es gebe. Seine Frau berichtete ihm, und er sagte: »Wenn sie dich wieder fragen, dann sage ihnen: ›Ihr seid ja beide selbst nicht ganz vollkommen, in keiner Weise vollkommen, und da wagt ihr es, meinen Gatten zu tadeln!‹ Wenn sie dich dann fragen, warum, ja warum denn? Dann antworte: ›Macht mir meinen Gatten wieder jung, dann will ich es euch sagen!‹«
    Die beiden Götter gingen auf den Vorschlag ein. Sie
    versprachen ihr, Cyavana wieder jung zu machen, und wollten, daß sie dann einen der drei zum Mann wähle. Cyavana war damit einverstanden. Die drei Männer stiegen in den Teich und kamen alle in blendender Jugendfrische wieder heraus.
    Sukanya überlegte lange und wählte schließlich ihren Mann.
    Nun fragten die beiden Ashvins: »Sage uns nun, Sukanya, warum sind wir nicht vollkommen?« Da antwortete ihnen der Rishi selber: »Seht ihr nicht, wie die Götter feiern? Seht ihr nicht, wie die Himmlischen euch ausschließen und euch um den Genuß des Soma bringen, um den berauschenden Saft, der Indra zu seinen Taten begeistert? Deswegen seid ihr nicht vollkommen! Aber ich werde euch zu Somatrinkern machen!«
    Und als der Heilige im Namen des Königs ein großes Opfer vollzog, brachte er den göttlichen Ärzten Soma dar.

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