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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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Der Verfolgte sprang in das Loch. Da war ein Tier in dem Loch. Das kam heraus. Der Tote jagte jetzt das Tier, bis er ermüdet war. Dann ließ er ab von der Jagd und kehrte wieder um. Er kam wieder zu dem Stamm und setzte sich darauf. Der Genosse war noch in dem Baumloch. Der Tote saß auf dem Stamm. Da erscholl plötzlich eine mächtige Stimme: »Ich bin deiner müde; hätte ich dich gefangen, dann hätte ich dich getötet.« Darauf ging der Tote zurück.

    Legenden aus dem Mittelmeerraum

    Philemon und Baucis

    MAG SEIN, daß es heute nur noch wenig Dörfer gibt, in denen Fremde verhöhnt und mit Steinen beworfen werden. Vor Zeiten war das anders. Auch im alten Griechenland. Das Dorf lag unten an einem Fluß, dicht zusammengedrängt im Auslauf eines engen Bachtales. Hügelauf, abseits von den anderen Häusern, stand nur die baufällige Hütte eines alten Paares, das dort oben einträchtig und gottesfürchtig sein armseliges, aber erfülltes Leben fristete.
    Sie besaßen nur wenig, der fromme Philemon und seine Baucis: ein kleines Stück Grasland, die Nahrung für eine Ziege und eine Gans, dazu ein winziges Gemüsegärtlein mit drei Obstbäumen, einen Nußbaum vor der Haustür und einen alten Weinstock an der südlichen Mauer. Ihr größter Schatz waren drei magere Speckseiten, von denen eine schon angeschnitten im Rauchfang hing. Das war sehr wenig. Selbst in den Augen der armen Nachbarn war es nichts.
    An einem warmen Sommerabend saßen sie friedlich
    plaudernd vor ihrer Hütte. Da kläfften plötzlich die Hunde im Dorf, Menschen riefen durcheinander, Kinder schrien. Wenig später flohen zwei Fremde auf dem schmalen Pfad den Berg herauf. Kinder jagten hinter ihnen her und bewarfen sie mit Steinen. Die älteren Dörfler standen johlend und drohend unten am Hang. Als erster erschien ein würdiger alter Mann mit einem langen weißen Bart; ihm folgte ein junger Mann, fast noch ein Knabe, der mit seinem großen Umhang die Steine abfing. Philemon sprang auf, griff nach seinem Stock und ging den Fremden entgegen. Er ließ sie an sich vorbei in die Hütte gehen und drohte den nachdrängenden Kindern mit dem Stock.
    Daraufhin kehrten die Kinder um und stoben den Hang
    hinunter. Drunten aber wurde der Lärm nur noch größer; Frauen kreischten, Hunde bellten; die Männer drohten mit den Fäusten und tippten höhnisch mit ihren plumpen Fingern an die Stirn. Philemon war betrübt über die feindselige Haltung seiner Dorfgenossen. Ein Rest von Ehrfurcht vor dem Alter hinderte den Haufen daran, mehr zu tun, als zu lärmen. Darum zuckte der Alte nur mit den Schultern und ging kopfschüttelnd zurück in seine Hütte. Die beiden Fremden waren schon eingetreten. Sie sahen müde und hungrig aus; trugen
    schmutzige Schuhe und verstaubte Kleider.
    Die gute alte Baucis war dabei, ein Abendessen zu richten.
    Philemon half ihr, obgleich er eigentlich die Gäste hätte unterhalten sollen. Aber er lief eifrig in den Garten, um frischen Endiviensalat zu schneiden; er pflückte Feigen und Pflaumen. Baucis schürte inzwischen das Feuer, schnitt Speck und schlug zwei Gänseeier in die Pfanne, die einzigen, die im Haus waren. Ein Glück, daß die Gans gestern und heute gelegt hatte. Dazu sollte es Oliven geben und milden Ziegenkäse. Das mußte reichen, um den ersten Hunger zu stillen.
    Die Gäste saßen indessen in dem einzigen Raum der Hütte, in dem auch Baucis mit Pfannen und Tellern hantierte. Der alte Mann mit dem langen weißen Bart thronte würdevoll auf der Bank; er hielt die Augen halb geschlossen und sann müde vor sich hin. Er sah aus wie ein König ohne Land, der es noch nicht lassen konnte, über die Macht und das Recht
    nachzudenken. Der junge Mann dagegen redete unbefangen über dies und das. Wenn er der Sohn des königlichen Alten war, benahm er sich keineswegs wie ein Prinz. Baucis mußte über seine ungereimten Reden lachen, war aber zu schüchtern und zu bescheiden, um von sich aus dazu ein Wort zu sagen.
    Schließlich schickte der Alte den Jungen vor die Tür und sagte, man werde ihn rufen, wenn das Essen fertig sei. Der Sohn setzte sich in der Abenddämmerung vor die Hütte und spielte auf einer Hirtenflöte so schön, wie Baucis es noch nie gehört hatte. Sie richtete ihm einen Platz neben dem »König« auf ihrer alten Ruhebank, die sie mit bunten Kissen und ihren schönsten Decken in Sitze verwandelte, fast zu prächtig für die einfache Hütte. Philemon hängte inzwischen die Speckseite wieder in den Rauchfang. Sie kam

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