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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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versprochenen Erträge. Als die Zeit erfüllt war, kam der Vater wieder zurück aufs Land. Seine Tochter war herangewachsen und stand ihm schön und fremd gegenüber. Aber auch die Tochter erkannte den Vater kaum wieder. Er begrüßte sie mit großer
    Ehrerbietung. Bei Tisch forderten die Lehrer ihn auf, seine erwachsene Tochter zu fragen, was er wolle. Sie fiel aber den beiden Alten ins Wort und bat den Vater, sie zu fragen, was er unterwegs getan habe. Als reicher Mann reiste er in einem vierrädrigen Wagen, und auf den schlechten Straßen und bei den unsicheren Zeitverhältnissen mußte ein Reisender viele Gefahren bestehen. Der Vater forderte also das Mädchen auf zu erzählen. Sie berichtete alles so genau, wie wenn sie selbst dabei gewesen wäre, mit allen Ausrufen und Drohungen und Ängsten. Der Vater war so überrascht, daß seine anfänglidie Verwunderung in Entsetzen umschlug. Langsam wuchs in ihm die Überzeugung, das Mädchen sei ein göttliches Wesen. Er warf sich vor den Männern nieder und flehte sie an, ihm doch zu sagen, wer sie seien. Aber er bekam keine klare Antwort.
    Sie verrieten zuletzt nur, daß sie die geheimen Wissenschaften der Chaldäer beherrschten. Der Vater bat sie, zu bleiben. Sie nickten ihm zu; aber auch jetzt blieb unklar, was sie wirklich tun würden.
    Als der Vater zur Ruhe gegangen war, nahmen sie das
    Mädchen beiseite, übergaben ihm das Kleid, in dem es geweiht worden war, brachten Geräte und Bücher und legten sie in eine Kiste, die Sosipatra versiegeln mußte. Als am nächsten Morgen die Hoftore geöffnet wurden, gingen die beiden Alten wie jeden Tag mit den Leuten hinaus an die Arbeit. Das Mädchen aber lief dem Vater entgegen, um ihm die gute Nachricht zu bringen, daß ihre geheimnisvollen Erzieher noch da seien und sie reich beschenkt hätten. Ein Sklave trug die Kiste mit den wertvollen Gaben herbei. Der Vater aber nahm alles Geld, das er auftreiben konnte, um die beiden Alten zu belohnen. Er ließ nach den Männern rufen. Aber sie waren verschwunden. Da fragte der Gutsherr seine Tochter: »Was soll das bedeuten, mein Kind?« Sosipatra dachte nach. Dann sagte sie traurig: »Jetzt verstehe ich erst die letzten Worte der beiden Alten. Mit Tränen in den Augen haben sie mir ihre Geschenke gegeben und gesagt: ›Gib gut acht auf diese Dinge, mein Kind, denn wir segeln jetzt übers Meer in den Westen; wir kommen aber bald wieder zurück.‹ Im Westen aber liegt das Totenland.« Das war für alle ein Zeichen, daß die beiden Männer Dämonen oder Geister waren.
    Sosipatra behielt die Gabe des Hellsehens. Einmal sprach sie mit Gästen über die Seele. Ihr Vetter Philometor war zu dieser Zeit mit dem Fuhrwerk unterwegs. Da verstummte das
    Mädchen plötzlich mitten in der Rede. Dann schrie es auf:
    »Seht! Philometor stürzt mit seinem Wagen um. Er ist mit den Beinen unter die Räder gekommen! Aber die Sklaven haben ihn schon herausgezogen, er hat nur ungefährliche
    Verletzungen an den Armen und an den Händen! Er wird jetzt in einer Sänfte getragen und jammert sehr.« So sprach sie, und als Philometer zurückkam, erzählte er das Geschehnis nicht anders. Sosipatra war überall gegenwärtig, wie es die Philosophen von den Göttern behaupten.

Legenden aus dem Nahen Osten

    Im Namen Gottes, des Barmherzigen, Gnädigen! In zahllosen Weisen – will ich den Herrn preisen – den Erhabenen, Allweisen – der den Menschen ausgezeichnet hat vor allem Lebendigen – durch die Gnadengabe der Rede, der verständigen – dem es gefiel, sein Haupt hoch zu erheben, da er sprach: » Wir haben den Kindern Adams Ehre gegeben.« –
    Auch will ich segnen vieltausendmal den Herrn – an des Prophetentums Horizont den leuchtenden Stern – den Edelstein – in der Redekunst Schmuckkästlein – den Stolz und die Wonne aller Erdgeborenen – Muhammed, den Auserkorenen – den redenden Vogel, von dem bewußt – daß er nicht sprach nach eigner Lust – die singende Nachtigall, deren Mund – nur lautere Offenbarung macht kund – der auf geraden Pfaden aus dem Irrsal der Welt – den, der sich hält –
    an seines Gesetzes Seile – hinführt zum Heile.

    Nebi Salech und die Kamelin

    »BEI DER WAHRHEIT des Salech und seiner Kamelmutter!« so riefen schon die Genossen des Muhammed, so riefen ihre Enkel, wenn sie eine Aussage bekräftigen wollten. Salech war der fünfte Prophet von Adam an, von Gott zu dem Stamme Thamud gesandt, um ihn zu bekehren. Dieser längst erloschene arabische Stamm

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