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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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fiel. Erhielt sich lange zurück. Dann konnte er es aber nicht lassen, sich einzumischen. Er rief den Männern zu: »Ihr müßt an allen Seiten zugleich anpacken!« Aber die Leute fragten nur dagegen: »Bist du schon lange hier?« Und da saß er wieder in seinem Busch. Er raufte sich den Bart, er schlug sich an die Brust, er stöhnte laut. Der Engel kam, stellte sich vor ihn und fragte: »Was fehlt dir jetzt?« Der Holzhauer erwiderte: »Ich begebe mich in deine Güte.« Der Engel rief: »Nun ist es genug! Dir ist nicht zu helfen! Dein Vater Adam, dessen Knochen du verbrennen willst, hat einmal gesündigt. Du aber hast dreifache Schuld auf dich geladen! Bleib hier im Busch, bis du stirbst!«

    Abraham erkennt Gott den Herrn

    TAUSEND JAHRE sollte der gewaltige König Nimrod von Babylon die Welt beherrschen. Aber er diente den Götzen und war ein Despot. Gott sandte dem Tyrannen nach dreihundert Jahren eine Mücke, die sein Gehirn zernagte. Vierhundert Jahre lang mußte er unbeschreibliche Qualen erdulden, dreihundert Jahre lebte er wie ein unvernünftiges Tier. So wurden die ihm prophezeiten Lebensjahre voll; so strafte der Herr den Gotteslästerer durch das kleinste Tier aus seiner Hand. Abraham kam in den ersten dreihundert Jahren der Herrschaft dieses Tyrannen zur Welt. Die Seher und Priester von Babylon hatten dem König verkündet, daß in diesem Jahr ein Kind geboren werde, das eines Tages die Altäre der Götzen und den Thron umstoßen werde. Da befahl der König, alle Neugeborenen zu erwürgen. Die unschuldigen Kinder wurden ermordet, und nur ein Wunder konnte Abraham vor dem Tode retten. Seine Mutter, die vom Engel Gabriel empfangen hatte, war schlank geblieben, solange sie das Kind trug, und niemand ahnte etwas von ihrer Schwangerschaft. Als ihre Stunde kam, floh sie in eine Höhle vor der Stadt und brachte mit Gabriels Hilfe heimlich das Kind zur Welt. Dort war der Säugling der Wut der Mörder entzogen. Sie selbst aber mußte zurück nach Babylon. Als sie am nächsten Tag die Stadt verlassen und in die Höhle eilen wollte, um das Kind zu stillen, lauerten ihr die Häscher auf, und sie konnte nicht gehen. Sie war der Verzweiflung nahe; denn nun hatte sie das Kind zwar vor dem Schwert gerettet, es aber zugleich dem Hungertod ausgeliefert.
    Als der Weg am vierten Tag endlich frei war, lief sie in großen Ängsten in die Höhle. Und siehe, sie fand den Säugling frisch und blühend. Gott ließ aus einem der Finger des Kindes Wasser fließen, aus einem anderen Milch, aus dem dritten Honig, aus dem vierten Dattelsaft und aus dem fünften Butter.
    Das Kind sog seine Nahrung aus den Fingern. Darum sagt man noch heute, wenn einer auf unerklärliche Weise zu Nahrung oder zu Kenntnissen kommt: »Er saugt es sich aus den Fingern (wie Abraham).«
    Die Grotte lag tief im Innern des Berges. Die Mutter wälzte vor den äußeren Zugang einen großen Stein und schloß damit die Menschen und den Tag aus. Fünfzehn Jahre lang blieb Abraham eingeschlossen. Nur die Mutter besuchte ihn
    regelmäßig. Erst in seinem sechzehnten Jahr wagte sie es, ihn aus den Eingeweiden der Erde an ihre Oberfläche zu führen.
    Abraham trat aus der Höhle.
    Es war eine wilde, stürmische Nacht. Der Engel der Winde rauschte mächtigen Fluges einher, ein einziger Stern blinkte durch die zerrissenen Wolken. Abraham sah um sich nichts als Finsternis, er hörte nur die Winde toben. Da meinte er, das reine Licht, das mitten im Kampf der Naturkräfte ruhig und klar auf ihn herabblickte, der Stern sei die höchste Kraft, die allein Einheit und Ordnung unter die übrigen Elemente bringen könne. Er warf sich zu Boden und rief: »Das ist mein Gott, der mich in der Höhle gespeist und getränkt hat!« Als aber der Stern unter den Horizont verschwunden war, erkannte
    Abraham seinen Irrtum und rief: »Ich bete nicht an, was untergeht!« Nun erhob sich der Mond in Glanz und Klarheit.
    Abraham rief: »Dies aber ist mein Herr!« Und er warf sich vor dem Mond nieder, um ihn anzubeten. Aber auch der Mond ging unter, und Abraham sprang auf und schrie in großer Erregung: »O Herr, er ist es nicht! Ich bete nicht an, was untergeht!« Da stieg endlich die Sonne auf in all ihrer Pracht und Herrlichkeit.
    In ihrem Licht und in ihrer Wärme entfalteten sich vor Abrahams Augen zum ersten Mal die Wunderwerke der
    Schöpfung. Entzückt, in der höchsten Wonne, rief er zum Himmel: »O, er ist größer, mein Herr und Gott! Er ist’s!« Aber die Sonne vollbrachte ihren

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