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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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die himmlische Gestalt.
    Er war von nun an ein verworfener Engel, der Teufel, der Satan. Er verließ die Erde und schlug seinen Thron über den unermeßlichen Wassern des Meeres auf, umgeben von den Ungeheuern der grundlosen Tiefe. Den Vater der Menschen aber trugen die Engel ins Paradies Gottes.

    Trägt Vater Adam wirklich die Schuld?

    TAG FÜR TAG ging ein Holzhauer in den Busch, schlug eine Last Reisig und schleppte sie nach Hause. Zehn oder zwölf Jahre lang tat er diese Arbeit, ohne zu murren. Dann war er ihrer überdrüssig und müde. Er wollte nicht mehr arbeiten. Er beschloß, einen riesigen Haufen Reisig aufzuschichten, die Gebeine unseres Vaters Adam zu suchen und sie zu
    verbrennen; denn Adam hatte all diese Mühsal über die Erde gebracht. Der Holzfäller hatte schon einen mächtigen Scheiterhaufen aufgebaut, da stand plötzlich ein Mann vor ihm und fragte: »Mensch, was machst du da?«
    »Ich haue Reisig ab, ich schichte einen mächtigen
    Scheiterhaufen auf; denn ich will hier die Gebeine unseres Vaters Adam verbrennen.«
    »Was hat dir unser Vater Adam getan? Hast du dich über ihn zu beklagen?« – »Der Vater Adam trägt die Schuld an unserer großen Not. Wer hat denn die ganze Mühsal in die Welt gebracht? Der Vater Adam. Darum will ich seine Gebeine suchen und sie verbrennen.«
    »Gut, du hast recht. Aber was würdest du sagen, wenn dich jemand von dieser Last befreite?«
    »Ich würde ihm von ganzem Herzen Dank sagen.« Da sagte der Mann, der ein Engel des Herrn war: »Ich werde dich jetzt in einen paradiesischen Garten bringen. Du darfst dort von allen Früchten essen, die du findest. Aber du mußt schweigen.
    Was du auch immer siehst, rede nicht! Schweige!« – »Ich danke dir, ich danke dir sehr!«
    Da klatschte der Engel in die Hände, und plötzlich stand der mürrische Holzhauer in einem prächtigen Fruchtgarten. Hier fand er Ruhe und Frieden, die er suchte. Als er am dritten oder vierten Tag durch den Garten ging, sah er einen Mann, der alle grünen Zweige von den Bäumen schlug und die trockenen stehen ließ. Das wunderte ihn. Dann ärgerte er sich, und er dachte: »Soll ich nun reden oder soll ich nicht reden? Dieser Mann, dessen Eltern verflucht seien, regt mich auf! Er richtet ja die ganzen Bäume zugrunde! Bei Gott, ich muß mit ihm reden!« Und er rief ihn an. Der Mann aber antwortete: »Was willst du?« – »Was du machst, das ist falsch!« rief der Holzhauer, »du richtest ja die ganzen Bäume zugrunde! Man haut die trockenen Äste ab und läßt die grünen stehen!« Der Fremde fragte nur: »Bist du schon lange hier?« Im selben Augenblick fand sich der Holzhauer in seinem heimischen Dickicht wieder und machte Holz für den Scheiterhaufen Adams.
    Verzweifelt schlug er sich an die Brust und rief: »Was hab’
    ich getan?« Da stand der Engel des Herrn wieder vor ihm und fragte: »Was fehlt dir denn? Habe ich dir nicht gesagt: Rede nicht, schweige?« Der Holzhauer antwortete: »Herr, ich sehe meine Schuld ein. Ich bereue. Aber bringt mich wieder an meinen Platz zurück!« Da klatschte der Engel in die Hände, und der Holzhauer kam zum zweiten Male in den schönen Garten. Drei Tage ging alles gut. Am vierten Tag sah er eine Gazelle, die mit großen weiten Sprüngen von einem Ende des Gartens zum anderen sprang. Hinter ihr keuchte ein
    neunzigjähriger Greis, der nur langsam Schritt vor Schritt setzen konnte. Diese hoffnungslose Jagd des Alten erregte ihn, und er hatte Mitleid mit dem Greis. Lange kämpfte er mit sich, bis er ihn schließlich doch anrief und sagte: »O du guter alter Mann! Die Gazelle flieht vor dir her wie der Blitz. Siehst du denn nicht, daß du sie nie fangen wirst? Du bist ja ganz außer Atem! Wie lange willst du dich noch hinter ihr herschleppen?«
    Der Greis aber fragte nur dagegen: »Bist du schon lange hier?«
    Und damit saß der Holzhauer wieder in seinem Busch.
    Verzweifelt schlug er an seine Brust und klagte noch lauter als das erste Mal. Wieder kam der Engel und fragte: »Was fehlt dir? Was kann ich jetzt noch für dich tun?« Da sprach der Holzhauer: »Ich begebe mich in deine Güte und in deinen Schutz. Verflucht will ich sein, wenn ich wieder rede! Bitte bringe mich an den alten Platz zurück!« Der Engel klatschte zum dritten Mal in die Hände, und der Holzhauer wurde noch einmal ins Paradies versetzt. Zuerst ging wieder alles gut. Am vierten Tag aber sah er vier Männer, die eine Ölmühle an einer Seite so hochhoben, daß sie auf die andere Seite

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