Das Hausbuch der Legenden
Weise ihre Freiheit wiedergewinnen. Aber sie bemühten sich vergebens. Assaf ließ sie in eisernen Töpfen auf den Grund des Meeres werfen, wo sie tatenlos und voll Ungeduld auf einen Zufall warten mußten, der ihnen die Freiheit zurückgab. Davon aber erzählen die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht.
Iblis, der Verfluchte, sah sich von allen seinen
Kampfgenossen verlassen. Die Ausgänge der Welt waren verschlossen. Überall hielten Engel und gehorsame Geister die Wege zu den letzten Fluchtmöglichkeiten besetzt und lauerten ihm auf. Da sann er auf eine List. Er nahm die Gestalt eines abgelebten Dschin an und stellte sich dem König Salomo als Reisender vor, der viele Länder und Zeiten gesehen und mit den Propheten auf vertrautem Fuß gestanden hatte. Im Laufe eines langen Gesprächs fragte er Salomo, ob denn Iblis am Tag des letzten Gerichts auf Verzeihung hoffen könne. Salomo antwortete, daß der Herr dem Verfluchten am Tag des Gerichts Verzeihung anbieten werde unter der Bedingung, daß er sich der Herrschaft der Menschen unterwerfe. Iblis werde dieses Anerbieten aber wieder ablehnen, wie seinerzeit bei der Erschaffung Adams und er werde damit zum zweiten Mal das Paradies verlieren. Der Verfluchte wandte dagegen ein, das könne doch nicht sein; denn Abraham habe ihm das Gegenteil versichert. Dieser Widerspruchsgeist, der einem gläubigen und gehorsamen Geist nicht gemäß ist, weckte Verdacht bei Salomo. Er ließ seinen Astrologen, den weisen Lokman rufen, damit er mit Hilfe eines Horoskops feststelle, wo sich der Verfluchte zur Zeit aufhalte. Lokman stellte sehr schnell fest, daß der Iblis vor Salomo stand, und der König redete ihn nun mit seinem Namen an. Iblis aber bestand darauf, daß er nicht der Verfluchte sei und rief die versammelten Dschinnen als Zeugen an. Diese aber weigerten sich, für ihn einzustehen. Der Pfau und die Schlange, die zusammen mit ihm das Paradies verloren hatten, bezeugten vielmehr, daß er der Verfluchte sei.
Iblis erkannte die beiden nicht als Zeugen an, weil sie doch verworfene, aus dem Paradies ausgestoßene Geschöpfe seien.
In diesem Augenblick tauchten zwei Dschinnen auf, die den Iblis besonders gut kannten und die der König auch deshalb ausgeschickt hatte, um ihn aufzuspüren. Sie entlarvten ihn.
Als Iblis sah, daß er sich nicht mehr verleugnen könne, versuchte er seinem Schicksal durch Zauberkünste und Verwandlungen zu entgehen. Er entschlüpfte den angreifenden Dschinnen immer wieder, bald als Feuer, bald als Wasser, bald als Wind und bald als Rauch. Da meldete sich der Pfau mit einer Beschwörungsformel, der Iblis nicht widerstehen könne.
Salomo lernte sie auswendig und sprach dann die Formel über Iblis aus:
»Gott, unser Herr! Der die Engel mit Licht geziert!
Kein Gott ist außer Dir!
Lob Dir, der Du ausgebreitet hast das Tal
und den Berg Kaf gesetzt hast als Pfahl,
der Du der Nacht das Sternenbild gegeben
und dem Tag den Unterhalt zum Leben,
der Du uns den Schlaf zur Rast
und jedem Geschöpf ein gleiches zum Paar gegeben hast; Jehova!«
Dieser Beschwörung konnte der Satan nicht widerstehen. Er ergab sich auf Gnade und Ungnade. Salomo ließ ihn mit einem Haar aus seinem Gürtel fesseln, der aus den Locken Adams geflochten war. Iblis begehrte unbändig auf, sagte aber schließlich, Salomo möge tun, was er wolle, die Reihe zum Handeln werde schon wieder an ihn kommen.
Bald darauf ging an Salomos Hof eine merkwürdige
Veränderung vor. Der ganze Hofstaat war geflüchtet, und Salomo hatte weder Diener noch Speise; und für all sein Gold konnte er nicht einmal ein Gerstenbrot kaufen. Diese Veränderung hatte die Gefangenschaft des Iblis bewirkt. Denn seitdem er nicht mehr freies Spiel hatte mit den Begierden und Leidenschaften der Menschen, hatten sich alle bekehrt. Keiner dachte mehr an Ehren und Erwerb, alle dachten nur an gute Werke und an das Gebet. Um den Marktplatz standen die Gewölbe leer. Umsonst ließ Salomo seine Reichtümer
ausrufen. Keiner machte ein Gebot; denn die Kaufleute waren alle im Tempel. Der Hof war völlig vereinsamt. Die Vögel und die Dschinnen, die Könige und die Propheten erschienen nicht mehr. Der König war beim Aufstehen und beim Schlafengehen allein. Nur wenige Läufer waren ihm geblieben, die er zu den Dsdiinnen und den Vogelfürsten, zu den Königen und zu den Propheten schickte, um zu erfahren, warum sie ausblieben. Sie gaben ihm zur Antwort: sie wüßten ihre Zeit nun besser anzuwenden, sie würden jetzt Gott
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