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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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alltäglichen Lauf und sank im Westen unter. Fast verzweifelt schrie Abraham wieder: »Er ist es nicht, mein Gott und Herr! Ich bete nicht an, was untergeht!« Dann aber besann er sich, kniete nieder und betete in aller Stille: »Ich habe nichts zu tun mit dem, was die Diener der Götzen anbeten. Sonne, Mond und Sterne sind keine Götter. Ich wende mein Angesicht dem zu, der das kleine und das große und das größte Licht erschaffen hat, er ist der Herr des Himmels und der Erde, er ist mein Herr und Gott!«

    Mose und der Habicht

    EINES TAGES kam eine Taube hastigen Fluges zu Mose, dem großen Propheten, und flehte ihn an: »Gnade, o Prophet Gottes! Mich verfolgt ein Wüterich! Rette mich vor ihm!« –
    Mose nahm das verängstigte Tier in seine Obhut und
    versteckte es in seinem faltenreichen Gewand. Da kam der Habicht hinterdrein geflogen. Er sprach zu dem Propheten: »O
    Mose, mich quält des Hungers Wut – nach Nahrung verlang ich samt meiner Brut – da du mir meinen Fraß geraubt, begehst du gegen mich großes Unrecht.« Darauf antwortete Mose: »O
    Habicht, verlangst du von mir diese Taube oder willst du von mir nur Nahrung haben? Für den ersten Fall muß ich dir sagen, daß dieses unschuldige Tier sich in meinen Schutz begeben hat und daß ich niemals seinen Tod billigen kann. Im anderen Fall aber will ich mich bemühen, dich nicht ohne Atzung
    heimkehren zu lassen.«
    Als der Habicht antwortete, daß ihn nur nach Nahrung verlange, schnitt Mose von seinen heiligen Gliedern so viel Fleisch ab, wie eine Taube wiegt. Er wollte die seltsame Atzung gerade dem Habicht überreichen, da sagte dieser:
    »Prophet Gottes, ich bin der Erzengel Michael, und die Taube ist Gabriel. Wir sind nur deshalb in dieser verwandelten Gestalt zu dir gekommen, um deine Großmut und deinen Edelsinn zu prüfen.« Nach diesen Worten verschwanden die beiden Engel.

    Der Tod des Mose

    ALS MOSE zum Sterben kam, sandte ihm Gott zwei Engel. Sie ließen sich auf die Erde nieder und hoben ein Grab aus. Da ging Mose auf sie zu und rief: »Gesundheit, ihr Gesellen!«
    Und sie antworteten ihm: »Gesundheit! Aber wer bist du denn, mein Freund?« Da sprach der Alte: »Ich bin Mose, mit dem der Herr – sein Name sei gepriesen! – geredet hat.« Da sprachen die beiden Engel: »Friede über dich, Mose! Uns hat der Herr, der Erhabene und Gepriesene, hierher geschickt mit dem Befehl, eines Menschenkindes Grab auszuheben. Wir aber wissen nicht die rechten Maße und haben Sorge, das Grab könnte zu kurz oder zu eng werden.« Da lächelte Mose und sprach: »Ich bin ein Menschenkind. Hebt das Grab aus nach meiner Länge und Breite!« Da antworteten die Engel: »Wir haben dieses hier ausgegraben; lege dich zur Probe hinein und sieh zu, ob es die rechte Länge und die rechte Breite hat oder nicht!« Und Mose stieg mühsam hinab und streckte sich lang aus in dem von den Engeln ausgehobenen Grab. Als er wieder heraus wollte, reichte ihm einer der Engel eine Rose und sprach: »Rieche doch einmal an dieser Rose!« Und Mose fand Wohlgefallen an dem herrlichen Duft der Rose und sank still zurück und regte weder die Hand noch den Fuß und verharrte in einem tiefen Schlaf. Da griffen die Engel zu ihren Schaufeln und beerdigten ihn vollends und schickten ihm Gottes Segen im Weihrauch und stiegen wieder auf in den Himmel. Und niemand weiß heute, wo das Grab des Mose ist. Nur
    Muhammed, der Gesandte des Herrn – Gott segne ihn und gebe ihm Heil! – , erzählte einmal, daß es auf einer Höhe bei Jericho liege.

    Salomo und der Igel

    IN GLAUBWÜRDIGEN Schriften steht aufgezeichnet, daß jeder große Prophet – Heil und Segen über sie! – einmal auf dieser Erdenwelt zur Wahl zwischen Leben und Tod berufen worden ist. Ein heiliges Wort des Muhammed sagt ja auch: »Es gibt keinen Propheten, der nicht einmal zur Wahl berufen worden wäre.« Alle hatten den Wunsch, endlich in der Gnade des Allbarmherzigen aufzugehen; so zogen sie alle den Tod dem Leben vor.
    Während Salomo die Welt beherrschte, brachte ihm eines Tages der Erzengel Gabriel, der Getreue des Herrn, einen Becher mit Lebenswasser und sagte: »O Salomo, der
    allmächtige, gnädige Herr grüßt dich und sendet dir, um dich zu ehren und dir seine Gunst zu beweisen, dieses
    Lebenswasser. Du hast die Wahl: Willst du, dann trinke, und du bist des ewigen Lebens teilhaftig; willst du aber nicht, dann enthalte dich des Trunkes, und du wirst, wenn die Zeit erfüllt ist, zur Gnade des Allmächtigen

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