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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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konnten sich nicht einmal die lässigen Mönche der Völlerei oder der Naschhaftigkeit ergeben. Makarius konnte sich auch hier nicht dem Zulauf der Ratsuchenden entziehen.
    Ein Jüngling, der auch Einsiedler werden wollte, fragte ihn:
    »Was muß ich tun, um ganz und gar für Jesus zu leben?«
    Makarius sagte: »Geh auf den Friedhof und schilt die Toten!«
    Der junge Mann befolgte den Auftrag und kam wieder zu Makarius, der nur sagte: »Jetzt geh wieder auf den Friedhof und halte den Toten eine Lobrede!« Der Schüler wunderte sich, aber er führte die Weisung aus. Als er wieder zurückkam, fragte ihn Makarius: »Nun, was haben die Toten geantwortet?«
    Der junge Mann antwortete: »Sie haben keine Antwort
    gegeben; sie haben nicht geantwortet, als ich sie schalt, und sie haben nicht geantwortet, als ich sie lobte.« Darauf erwiderte Makarius: »Geh hin und ahme sie nach! Laß dich nicht vom Lob und nicht vom Tadel dieser Welt beeindrucken! Stirb der Welt und stirb dir selbst ab! Dann findest du vielleicht den Anfang, von dem aus du für Christus leben kannst.«
    Als junger Mönch übernachtete Makarius einmal in einem heidnischen Grabmal. In der Grabkammer lagen so viele Skelette, daß er eines als Kissen benutzen mußte, um sich ausstrecken zu können. Als er schlief, kamen die bösen Geister, um ihn zu erschrecken. Der eine ahmte eine
    Weiberstimme nach und rief: »Schnell, steh auf, meine Liebe, wir wollen ins Bad gehen!«
    Darauf antwortete eine Stimme unter Makarius: »Ich kann nicht kommen, meine Liebe. Ein Fremder liegt auf mir und will mich verführen!« Der Mönch ließ sich nicht beeindrucken.
    Er schlug das Skelett, auf dem er lag, und rief: »Steh doch auf, wenn du kannst!« Diese Kaltblütigkeit machte die Teufel machtlos, und sie zogen sich zurück.
    Doch rächten sie sich später, als er weit hinein in eine pfadlose Wildnis wanderte. Um wieder zurückzufinden, steckte er in bestimmten Abständen Rohrhalme in den Sand, die er zu diesem Zweck mitgenommen hatte. Während er schlief, zogen die Teufel alle Halme aus dem Boden und legten sie, sauber zusammengebunden, neben den schlafenden Abt.
    Erst auf großen anstrengenden Umwegen fand er wieder zu seiner Zelle zurück. Wieder ein anderes Mal plagten sie ihn mit schweren Versuchungen, deren er nicht Herr wurde. Da nahm er einen großen Sack mit Sand auf die Schulter und schleppte diese Last mehrere Tage durch die Wüste. Dort traf ihn einer seiner Schüler und fragte: »Warum plagst du dich mit dem schweren Sack ab, Vater?« Makarius erwiderte ihm darauf: »Ich plage den, der mich plagt.«

    Makarius und die geizige Jungfrau

    IN ALEXANDRIEN lebte eine vornehme und reiche Jungfrau, die keinen Gottesdienst versäumte. Sie verstand es, die Demütige zu spielen, war aber in ihrem Herzen hochmütig und geizig.
    Sie nahm die Tochter ihrer Schwester an Kindes Statt an und versprach ihr das große Vermögen als Erbe. Damit hatte sie eine Ausrede gegenüber den Vätern, die sie oft ermahnten, den Fremden, den Klöstern, der Kirche oder den Armen Almosen zu geben. Sie verschenkte nichts, weil sie sich verpflichtet hatte, das ganze Vermögen für ihre Nichte zusammenzuhalten.
    Damals war Makarius Vorsteher des Hospizes für arme
    Krüppel. Er beschloß, die Jungfrau von ihrer Habsucht zu befreien.
    Makarius war von Haus aus Kaufmann und hatte lang mit Edelsteinen gehandelt. Das brachte ihn auf einen Einfall: Er ging zu der reichen Jungfrau und sagte: »Ich habe Edelsteine gesehen, ungeschliffene Smaragde und Hyazinthen. Ich weiß noch nicht, ob der Besitzer sie gefunden oder gestohlen hat.
    Auf jeden Fall sind sie außerordentlich wertvoll. Ihr Eigentümer will sie trotzdem für nur fünfhundert Goldstücke verkaufen. Wenn du sie haben willst, dann mache ich das Geschäft für dich. Du kannst an einem einzigen Stein den ganzen Einsatz verdienen, den Rest kannst du dann deiner Nichte schenken.« Die reiche Jungfrau ging auf diesen Vorschlag ein; denn sie wollte sich die günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen. Er wollte gehen und ihr die Steine zeigen. Doch machte sie ihre Geschäfte lieber im geheimen.
    Sie gab ihm fünfhundert Goldstücke mit und sagte: »Sei so gut und nimm das Geld! Ich habe keine Lust, den Verkäufer kennenzulernen.« Makarius aber verwendete das Geld für sein Spital. Viele Monate vergingen. Die Jungfrau wartete auf die Edelsteine. Aber sie wagte nicht, den angesehenen Mann zu mahnen. Endlich traf sie ihn in der Kirche. Da fragte sie: »Was

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