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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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bekommen.«
    Kein Wunder, daß er auch an seine Schüler hohe
    Anforderungen stellte. In Rom lebte eine Asketin, die sich völlig von der Welt abschloß und jeden Besuch ablehnte.
    Serapion ging in ihre Wohnung und sagte zu der alten Magd:
    »Sage der Jungfrau, ich muß mit ihr sprechen! Gott hat mich zu ihr gesandt.« Er mußte trotzdem drei Tage warten, bis er vorgelassen wurde.
    Er fragte sie: »Warum sitzt du hier?« Sie antwortete: »Ich sitze nicht, ich gehe.« Serapion: »Wohin gehst du?« Sie: »Zu Gott.«
    Serapion: »Bist du lebendig oder tot?«
    Sie: »Ich hoffe zu Gott, daß ich tot bin; denn wer dem Fleische nach lebt, kann unmöglich den Weg gehen, den ich gehe.« Serapion: »Dann beweise mir, daß du tot bis! Tue, was ich tue!« Sie: »Wenn du mir Dinge befiehlst, die möglich sind, dann will ich sie gerne tun.«
    Serapion: »Dem Toten ist alles möglich, außer Gottlosigkeit.
    Verlasse dein Haus und gehe durch die Straßen!« Sie: »Ich bin fünfundzwanzig lange Jahre nicht mehr ausgegangen. Warum soll ich es jetzt tun?«
    Serapion: »Wenn du der Welt völlig entsagt hast, daß du für sie tot bist, und wenn die Welt auch für dich tot ist, dann ist es einerlei, ob du ausgehst oder ob du nicht ausgehst. Darum gehe aus!«
    Und sie ging aus. Sie kamen an eine Kirche. In der Kirche sagte er zu ihr: »Wenn du mir beweisen willst, daß du tot bist, daß du nicht mehr lebst, um den Menschen zu gefallen, dann tue, was ich tue, damit ich wahrhaftig erkenne, daß du tot bist!
    Ziehe wie ich alle deine Kleider aus, nimm sie auf die Schulter und folge mir mitten durch die Stadt!« Sie erwiderte ihm erregt: »Die Leute würden sich an uns ärgern. Sie würden beim Anblick dieser Schamlosigkeit sagen: ›Sie ist wahnsinnig, sie ist besessen!‹« Serapion antwortete: »Und warum liegt dir daran, daß sie dich nicht für wahnsinnig und besessen halten?
    Du bist doch tot für sie!« Darauf sagte sie zaghaft: »Ich bin wohl noch nicht soweit fortgeschritten in der Askese. Verlange etwas anderes von mir! Das will ich tun.« Nun belehrte sie Serapion und sagte: »Du lebst in dem Wahn, frömmer zu sein als die anderen, du hoffst, dieser Welt entsagt zu haben wie kein anderer. Zeige das durch die Tat!« So brach er ihren Hochmut, machte sie demütig und ging davon.

    Johannes, der Abt

    JOHANNES, DER spätere Abt, lebte mit seinem Bruder zusammen in einer Zelle irgendwo am Rande der Wüste. Eines Tages nahm er sich vor, wie die Engel nicht mehr zu arbeiten, sondern Gott ohne Unterlaß anzubeten. Er warf alle Kleider weg und lebte eine Woche lang in der Wildnis. Er war nahe daran, zu verhungern. Da besann er sich, kehrte um und klopfte an die Tür seines Bruders. Dieser rief: »Wer bist du?«
    Er antwortete: »Ich bin Johannes.« Der Bruder aber sagte darauf: »Das kann nicht sein. Johannes ist ein Engel geworden.
    Er pflegt keinen Verkehr mehr mit den Menschen.« Johannes widersprach. Aber er konnte sagen, was er wollte, der Bruder öffnete ihm nicht. Er schickte ihn wieder ins Nichts, um ihn auf diese Weise zu züchtigen. Als Johannes nach einigen Tagen wieder kam, öffnete er ihm und sagte: »Bist du ein Mensch, dann mußt du arbeiten, damit du essen und leben kannst. Bist du aber ein Engel, was willst du dann in dieser Zelle?« Johannes erwiderte: »Vergib mir Bruder, ich habe gefehlt.«

    Der Abt Moses

    ALS MOSES zum Abt erhoben wurde, wollte ihn der weihende Bischof versuchen. Er befahl den Brüdern des Klosters, ihn mit Schimpf und Schande aus der Kirche zu jagen, sobald er sich dem Altar nähere. Die Brüder trieben ihn daraufhin hinaus und schrien dazu: »Pack dich, du Mohrengesicht!« Moses wehrte sich nicht. Er sagte nur: »Mir ist recht geschehen. Ich bin Staub und Asche. Wie durfte ich es wagen, mich unter die Menschen zu mischen?«
    Ein Bruder hatte einmal gesündigt. Die anderen schickten zum Abt Moses und ließen ihn bitten, über den Bruder zu Gericht zu sitzen. Als Moses den Saal betrat, trug er einen großen Sack Sand auf dem Rücken. Die Brüder fragten ihn, was das bedeuten solle. Da sagte er: »Das sind meine Sünden, die immerzu hinter mir herlaufen, so daß ich sie nie zu Gesicht bekomme. Und nun bin ich hier, um meinen Bruder zu
    richten.« Als die anderen das hörten, verziehen sie dem Bruder.

    Piterum und die närrische Nonne

    IN EINEM der Frauenklöster von Tabennä, das nördlich von Theben am Rande der Wüste lag, lebte im vierten Jahrhundert nach Christi Geburt eine Jungfrau, die so tat,

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