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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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die ihre Nacktheit verhüllte und alle Tiere abhielt.
    Als nun neue, noch furchtbarere Tiere auf Thekla gehetzt wurden, erhoben die Frauen ein lautes Klagegeheul und warfen Narde, Lorbeer, Amomum und andere Spezereien in großer Menge in die Arena. Die Tiere schnupperten daran, wurden benommen und rührten Thekla nicht an. Der reiche Syrer aber sagte zum Statthalter: »Ich habe noch besonders wilde Stiere.
    Wir wollen die Tierkämpferin an sie binden.« Nur unwillig gab der Statthalter dazu die Erlaubnis. Man band Thekla an den Füßen zwischen die Stiere. Um die Tiere wilder zu machen, hielt man glühende Eisen an ihre Lenden. Sie jagten davon.
    Aber die Flammen hatten die Stricke versengt, und Thekla war frei.
    In diesem Augenblick kam die Meldung, daß Tryphäna am Portal tot zusammengebrochen sei. Sie hatte das Theater verlassen wollen, als sie den sicheren Tod Theklas vor Augen hatte. Da gebot der Statthalter Einhalt, und allen im Theater wurde es unheimlich. Der reiche Syrer warf sich dem
    Statthalter zu Füßen und flehte: »Erbarme dich meiner und der Stadt. Laß die Tierkämpferin frei! Wenn der Kaiser hört, daß Tryphäna bei diesem Tierkampf am Portal der Arena gestorben ist, dann vernichtet er mit uns die ganze Stadt.« Da ließ der Statthalter Thelda mitten aus der Horde der wilden Tiere zu sich rufen und fragte sie: »Wer bist du, daß kein einziges der Tiere dich angerührt hat?« Thekla aber antwortete: »Ich bin eine Magd des lebendigen Gottes. Wer nicht an ihn glaubt, der wird nicht leben, sondern in alle Ewigkeit sterben.« Da ließ ihr der Statthalter die Kleider bringen und gab sie frei. Die Frauen aber riefen wie aus einem Munde: »Einer allein ist Gott, der Gott, der Thekla gerettet hat.« Unter ihnen war auch Tryphäna, die aus einer tiefen Ohnmacht wieder erwacht war. Sie umarmte Thekla, führte die Heilige in ihr Haus und wurde mit vielen ihrer Mägde Christin.

    Antonius, der Ägypter

    EHRGEIZ UND EITELKEIT versuchten Antonius, den Ägypter, noch in hohen Jahren. Sie gaben ihm ein, daß er der heiligste Einsiedler sei, und daß keiner tiefer in der Wüste lebe. In der Nacht aber sprach der Herr zu ihm im Traum: »Weiter in der Wüste betet einer zu mir, der ist besser als du; geh hin und suche ihn auf!« Gehorsam nahm der Greis seinen Stab und zog noch tiefer in die Wüste, ertrug die schattenlose Sonne, Durst und Hunger. Am dritten Morgen sah er im Zwielicht eine Hyäne, die Wasser suchte. Er folgte ihr in die Berge. Dort fand er die Zelle des heiligen Paulus in einer Höhle. Paulus hatte bei dem ersten ungewohnten Geräusch die Tür geschlossen. Da stand der Greis nun vor der Zelle des Uralten und bat lange vergeblich um Einlaß. Er rief: »Du weißt doch, wer ich bin!
    Du weißt, woher ich komme und wer mich zu dir gesandt hat!
    Ich weiß, daß ich nicht wert bin, dir ins Angesicht zu schauen!
    Aber nimmst du nicht die wilden Tiere auf? Warum verachtest du deinen Bruder?« Da öffnete Paulus die Tür, und die beiden, die sich vorher nie gesehen hatten, nannten sich bei ihren Namen und gaben einander den Friedenskuß. Paulus lebte so einsam, daß niemand ihn mit dem täglichen Brot versorgen konnte. Ein Rabe brachte ihm jeden Mittag seine Speise. Als er mit Antonius vor seiner Zelle saß, legte der Vogel die doppelte Menge nieder. Beide dankten Gott, brachen das Brot, aßen und tranken Wasser aus einer nahen Quelle. Dann beteten und redeten sie bis tief in die Nacht. Am nächsten Morgen erklärte Paulus seinem Gast, daß für ihn nun die Zeit der Ruhe gekommen sei. »Der Lauf ist vollendet, die Krone der Gerechtigkeit ist hinterlegt. Du bist vom Herrn geschickt, um meinen Leichnam zu begraben.« Antonius nahm diese
    Nachricht mit großem Schmerz auf. Er betete, der Heilige möge ihn doch nicht verlassen oder ihn wenigstens als Gefährten auf seine letzte Wanderung mitnehmen. Da bat Paulus seinen Gast: »Ich bitte dich, Freund, wenn du kannst, geh zurück und hole den Mantel des heiligen Athanasius und begrabe mich in diesem Mantel!« Antonius wunderte sich, daß der Todgeweihte von diesem heiligen Mantel wußte. Er küßte dem Heiligen unter Tränen die Hand und ging. Todmüde erreichte er nach drei Tagen sein Kloster. Zwei Schüler kamen ihm besorgt entgegen und fragten: »Vater, wo bist du so lange gewesen?« Er antwortete: »Wehe mir armen Sünder! Ich glaubte ein Mönch zu sein. Nun habe ich aber Elias, ich habe Johannes in der Wüste, ich habe den heiligen Paulus gesehen!«
    Dann

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