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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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klettern, so groß war Christophorus. Der Riese sah den Heiden grimmig an und sagte: »Du siehst, ich bin stark genug, um dich zu ergreifen und übers Knie zu brechen. Aber ich bin ein Christ!« Dann stieß er wieder seinen Stab in die Erde und bat Gott, ihn blühen zu lassen, um den Glauben des einfachen Volkes auf diese Weise zu wecken. Als die Heiden den Baum grünen sahen, bekehrten sie sich zu Christus. Der König hörte davon und schickte zweihundert Soldaten, die Christophorus binden und zu ihm bringen sollten. Sie fanden ihn betend, und keiner wagte ihn anzurühren, ja, sie meldeten ihm nicht einmal, welchen Auftrag sie hatten. Da schickte ihnen der König weitere zweihundert Soldaten zur Verstärkung. Als sie den Riesen immer noch beim Beten fanden, knieten auch sie nieder und beteten mit ihm. Nach dem Amen richtete sich
    Christophorus auf, kam wie ein wandernder Turm auf die Soldaten zu und fragte: »Wen sucht ihr?« Da antworteten sie ihm zitternd und kleinlaut: »Der König hat uns befohlen, dich zu binden und zu ihm zu bringen.« Da lachte der Riese und sagte: »Ihr seid nicht fähig, mich gebunden oder ungebunden zu eurem König zu bringen! Es sei denn, daß ich freiwillig mitkomme!« Da antworteten die Soldaten: »Geh doch, wohin du willst. Wir werden unserem König sagen, daß wir dich nicht gefunden haben.« Da sagte Christophorus: »Ihr sollt nicht lügen! Bindet mir die Hände auf den Rücken! Ich will gern für meinen Herrn leiden.« Auf dem Weg aber predigte er den Heiden und bekehrte viele.
    Der König fragte ihn zuerst nach Herkunft und Namen.
    Christophorus antwortete ihm: »Ich bin im Lande Kanaan geboren. Vor meiner Taufe hieß ich Offerus, jetzt aber heiße ich Christophorus.« Da sagte der König: »Du bist ein Narr!
    Wer wird sich nach einem gekreuzigten Menschen nennen, der sich selbst nicht helfen konnte und der niemandem helfen kann! Sage mir nun, du kanaanitischer Zauberer, warum du meinen Göttern nicht opfern willst!« Christophorus antwortete:
    »Deine Götter sind Götzen, von Menschenhänden gemacht.
    Sie haben keine Macht. Ich vermag mit meinem kleinen Finger mehr als du mit allen deinen Götzen!« Da wurde der König zornig. Er ließ Christophorus in den Kerker werfen und die zum Christentum bekehrten Soldaten hinrichten.
    Der König hatte noch nie einen solch großen und starken Mann gesehen. Er wollte Christophorus zum Hauptmann
    seiner Leibwache machen. Darum versuchte er noch einmal, ihn für sich zu gewinnen. Er schickte ihm zwei schöne Dirnen in den Kerker. Er wollte sie reich beschenken, wenn sie den Riesen verführten. Als Christophorus die üppigen Weiber sah, flüchtete er ins Gebet. Die beiden aber ließen ihn nicht in Ruhe beten. Sie tanzten um ihn herum und versuchten mit Worten und Gebärden seine Lüste zu wecken. Da fuhr er auf und schrie sie an: »Wer seid ihr, und was wollt ihr?« Den beiden Dirnen wurde angst und bange, wie sie ihn so im Zorn sahen.
    Sie fielen vor ihm nieder und flehten: »Erbarme dich unser, lieber Herr! Verkündige uns die Lehre Christi, damit wir selig werden!« Das tat Christophorus gern. Er predigte und bekehrte sie. Als der König das hörte, ließ er die Mädchen zu sich kommen und fragte sie: »Ist es wahr, seid ihr nun auch verführt worden?«

    Da antworteten sie: »Wer sagt das? Laß uns in den Tempel bringen, dort werden wir zeigen, wie wir gesinnt sind!«
    Daraufhin ließ der König sie in den Tempel bringen, und das ganze neugierige Volk lief mit. Dort lösten die Mädchen ihre Gürtel, warfen sie den Götzen um den Hals und zogen sie auf diese Weise von ihren Gestellen herunter, daß sie auf dem Steinboden zerbrachen. Dann riefen sie: »Holt schnell die Ärzte! Die Götter sind todkrank! Sie sollen sie heilen!« Als der König das hörte, ließ er die eine verbrennen, die andere ersäufen.
    Als dies geschehen war, ließ er eine eiserne Bank und einen eisernen Helm glühend heiß machen. Als Christophorus sich auf die Bank setzte, zerbrach sie unter der Last seines riesigen Körpers und die Glut des Helms erlosch an seinem Scheitel.
    Daraufhin ließ der König den Riesen an eine Säule binden und befahl einhundert Pfeilschützen, ihn zu erschießen. Aber die Pfeile blieben alle in der Luft hängen und bildeten ein Gewölbe, das Christophorus vor den glühenden
    Sonnenstrahlen schützte. Einer der Pfeile traf ein Auge des Königs, und der Tyrann erblindete. Da sagte Christophorus zu ihm: »Nimm morgen, wenn ich tot bin, von

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