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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Diese Haltung war um so merkwürdiger, als sie während der fünfzig Tage dramatischer Fahrt der Flotte über zwei Ozeane noch von einem Taumel ergriffen waren. Damals jagten sich die Kommuniqués, Pressekonferenzen, Interviews, Debatten und Zusammenkünfte, während die Flotte immer näherkam. Sie war ein derart außergewöhnliches Ereignis, daß man sie geradezu erwartete, um es zu glauben. In Gibraltar hatte man schließlich gesehen! … Jetzt schwiegen alle diese Schwätzer plötzlich, und ihre Begeisterung verwandelte sich in Panik, bei den Verschwiegensten mit verhaltenem Haß am Rand des Abgrunds.
    Auch die Antillen-Bars, die China-Restaurants, die afrikanischen Dancing-Clubs hatten ihre Pforten geschlossen. Die Lage in Paris, achthundert Kilometer von der Einwandererflotte entfernt, schien ebenso besorgniserregend zu sein wie an der von der Invasion betroffenen Mittelmeerküste. Hier wie dort war bei allen zu treffenden Vorsorgemaßnahmen Eile geboten, solange es noch Zeit war. Der Polizeipräsident, der mit dem Innenminister im Elysée-Palast in Verbindung treten wollte, hörte, daß der Rat immer noch tagte. Dreiviertel Stunden vor der angekündigten Rede zögerte die Regierung noch immer. Der Polizeipräsident kam zum Ergebnis, daß er eben warten mußte.
    Ist dies vielleicht eine Erklärung?

8.
     

    Ballans Lächeln hatte ein Wunder vollbracht. Es braucht oft nicht mehr, um einen Menschen zu erkennen. Gott sei gelobt! Und Ballan lobte Gott, indem er sich als Atheist auf seine Art über ihn lustig machte.
    Zwischen dem Pfahlwerk am Kai schwammen Leichen, deren aufgelöste Saris auf dem dunklen Wasser wie ein Lichtteppich wirkten. Einige zappelten noch, aber von oben beugte sich keiner herunter und streckte eine Hand hin. Zu was? Die den Rand des Wassers erreicht hatten, wußten, daß sie dort unter die Füße der riesigen Mengen geraten würden, die alle Kais des Hafens besetzt hatten. Ihr Sturz in den feuchten Bereich bedeutete auch nicht den Tod, sondern das Leben, weil sie die lang ersehnte unwiderstehliche Kraft wahrgenommen hatten, die nichts mehr aufhalten konnte.
    Oben auf dem Kai stand auf einem Karren der Mistkäfer und deklamierte. Auf seinen Schultern saß die Mißgeburt, immer steif wie ein Stock. Es war unglaublich. Die Augen der Mißgeburt strahlten! Sie bekamen durch die Worte des neuen Christophorus einen solchen Glanz, daß die Menge nur noch auf diese Augen schaute und sie förmlich verschlang. Jetzt sprach der Mistkäfer:
    »Buddha und Allah« – die Menge brummte – »Schiwa, Wischnu, Garuda, Krischna, Partawi, Indra, Deruga, Surija, Bhairaw, Rawana und Kali haben beraten und besuchten den kleinen Gott der Christen. Sie haben ihn vom Kreuz heruntergeholt, haben ihm das Gesicht getrocknet und ihn mit heiligem Balsam gepflegt. Sie haben ihn geheilt und zwischen sich gesetzt. Sie haben ihn begrüßt und zu ihm gesagt: Jetzt verdankst Du uns Dein Leben, was gibst Du uns dafür?«
    »Ökumenischer als der Papst«, dachte Ballan, der eifrig zuhörte. »Der Kotsammler schlägt die Christen auf ihrem eigenen Feld. Er hat die Ökumene der ganzen Erde.«
    Der Mistkäfer fuhr fort: »Dann rieb der kleine Gott ohne Kreuz seine steifen Glieder, bewegte Arme und Beine, drehte mehrmals seinen Kopf und sprach: ›Es ist wahr. Euch verdanke ich mein Leben, daher schenke ich Euch mein Reich. Die Zeit der tausend Jahre erfüllt sich. Jetzt versammeln sich die Völker an den Enden der Erde. Ihre Zahl ist so groß wie der Sand am Meer. Sie werden auf die Breite der Erde heraufziehen und das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt umringen.. .‹«
    »Schau mal an«, dachte Ballan, »das ist doch unglaublich. Da ist ja die Offenbarungsgeschichte Kapitel 20 Vers 8 und 9!«
    Trotz einer am Ufer des Ganges dicht gedrängt sitzenden Menge von fünfhunderttausend Menschen, zu denen auf allen Zugangsstraßen zum Hafen noch weitere hinzuströmten, war es unglaublich still, als der Mistkäfer seine Rede fortsetzte.
    »So sprach der kleine Gott der Christen. Dann führten ihn Allah und Buddha, Schiwa, Kali, Krischna und Wischnu um das leere Kreuz herum. Hierauf machten sie sich zusammen an die Arbeit. Mit dem Holz aus dem Kreuz bauten sie ein großes Boot, das Meere und Ozeane befahren konnte, ein Boot so groß wie die INDIA STAR. Dann sammelten sie ihre Halsketten ein, ihre Diademe, Armbänder und Ringe und sagten zum Kapitän: ›Es ist angebracht, daß Du bezahlt wirst. Nimm das alles, und da Du die

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