Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
Vom Netzwerk:
eines Widerstandes und einer sinnlosen Hoffnung. Auf der Brücke der Schiffe ließ man die gräßliche Leichenverbrennung von Benares wiederaufleben. Billige Verbrennung der Armen auf mageren, schlecht geschichteten Scheiterhaufen, unter Verwendung von altem Packmaterial, rostigen Planken und Lukenhauben, wobei die Leichen, besonders die feuchten Eingeweide, nie ganz verbrannten. Dies verursachte einen entsetzlichen Gestank. Immer wieder fielen Gliedmaßen aus den engen Scheiterhaufen. Behaarte, versengte Köpfe rollten der kauernden Menge vor die Füße. Mit Bootshaken scharrten die Leichenverbrenner die Fleischmassen zusammen. Aus den Brandstellen floß Menschenfett. Andere fachten das Feuer neu an und suchten mit Schaufeln in der Asche nach noch nicht ganz verbrannten Holzstücken, um die erlöschende Glut am Leben zu erhalten. Nach der Durchfahrt durch die Meerenge von Ceylon erlöschten mangels Brennstoff die Scheiterhaufen, und ebenso gingen unter den Hunderten von Reistöpfen die Gluten aus. Indien ist die Schwester des Todes und die Mutter seiner Toten. Stille legte sich über die ganze Flotte, indessen der Mistkäfer das stumme Orakel, sein mißgestaltetes Kind befragte. Aus dem offenen Loch seines Mundes floß in Fäden bläulicher Speichel. »Man werfe die Toten ins Meer!« befahl der Mistkäfer.
    Was soll mit dem Reis geschehen?
    Um Reis zu kochen, bedurfte es keiner besonderen Anordnung. Für jeden Inder gab es nur die für ihn typische Lösung. Ohne die üblichen Kuhfladen verbrannten die meisten nach einer seit dreitausend Jahren bewährten bäuerlichen Technik ihren eigenen Kot. Auf den Schiffbrücken entstanden Werkstätten, wo seltsame Köhler, meist Kinder, auf den Fersen hockend mit den Fingern Kothaufen kneteten, die man ihnen brachte. Um die Flüssigkeit zu entfernen, wurden diese längere Zeit zusammengedrückt und zu einer Art Eierbriketts geformt, wie wir sie für unsere Ofen benutzen. Die tropische Sonne tat ein übriges. Sie erhitzte die von der Menge geräumten Metallböden der Brücken, die so in Trockenöfen verwandelt wurden. So entstand aus Tausenden von stinkenden Briketts ein brauchbares Brennmaterial. Andere Kinder dienten als flinke, listige Zulieferanten. Auf der Lauer liegend spähten sie nach dem Mann oder der Frau, die sich anschickten, kauernd ihre Bedürfnisse zu verrichten, und schwupp! sprangen sie ihnen zwischen die Beine, bemächtigten sich der kostbaren, noch warmen Materie und brachten diese den Kotknetern. Auf diese Weise konnte die Armada während der ganzen Reise ihren Reis kochen, verbreitete aber diesen schrecklichen Gestank über dem Meer, von dem der Journalist erzählt hat und der manche von der Flotte weit entfernte Schiffe heimsuchte.
    An Bord lief das Leben eintönig. Essen, schlafen, Kräfte schonen und von der Hoffnung träumen und vom Paradies, wo Milch und Honig fließen und stille, fischreiche Flüsse die erntenreichen Felder bewässern würden. Nur die nach Kot jagenden Kinder, die überall mit vollen Händen herumsprangen, brachten Abwechslung in die unbeweglichen Menschenmassen, die auf den Brücken der Schiffe wie aufgebahrte Tote am Abend nach der Schlacht lagen.
    Hitze, Untätigkeit und die Sonne, die auf Haut und Gehirne wie eine Droge wirkte, dazu das mystische Klima, in welchem die Menge sich bewegte und besonders die natürliche Neigung eines Volkes, für welches Sex nie Sünde war, dies alles hatte zur Folge, daß das Fleisch zu kochen anfing. Unter den Herumliegenden entstanden Bewegungen aller Art. Zu gewissen Zeiten glichen die Schiffbrücken den Basreliefs von Tempeln, wo sich ausgelassene oder auch errötende Touristen ergötzten, die jedoch selten die Schönheit und Anmut der Skulpturen empfanden. Hände, Münder, Hintern und männliche Sexorgane erhoben sich. Unter den weißen Tuniken entstanden Wellen von Zärtlichkeiten. Mädchen gingen von Hand zu Hand. Kaum heiratsfähige Mädchen schlummerten in einem weichen Durcheinander von Armen, Beinen und aufgelösten Haaren dahin. Wenn sie aufwachten, leckten sie sich leise. Man nahm das männliche Glied in den Mund, langgestreckte Zungen fanden eine Scheide, Frauen befriedigten ihren Nachbarn. Über Körper, Brüste, Gesäße, Schenkel, Lippen und Finger flossen Bäche von Spermien. Paare waren nicht mehr allein, sondern zu dritt, zu viert zu ganzen Familien vereint, die alle nacheinander in eine tolle Ekstase gerieten, Männer mit Frauen, Männer mit Männern, Frauen mit Frauen, Männer

Weitere Kostenlose Bücher