Das Heerlager der Heiligen
Ergebnis. »Wie schade«, schloß Clément Dio eine Redaktionssitzung, »daß diese südafrikanischen Schweine keine Gelegenheit zu einem Gemetzel hatten! Konnten sie denn nicht ihre Rolle als Vorsehung zu Ende spielen?« Beide Fälle glichen sich in der Art, wie sie hochgespielt wurden und durch die unheilbaren Folgen, die sie in der Öffentlichkeit hinterließen. Fest steht zudem, daß, wenn die Flotte durch den Suez-Kanal gefahren wäre, das Weltgewissen weder Zeit noch Lust gehabt hätte, den Westen zu wappnen. Vielleicht ist dies auch eine Erklärung …
Die Armada gelangte indessen über den Wendekreis des Steinbocks in die Zonen der Südafrikanischen Republik. Etliche gemäßigte westliche Zeitungen – in Frankreich ein großes Abendblatt – beschäftigten sich, wohl angeregt durch ihre Regierungen, auffällig mit geographischen und wirtschaftlichen Fragen, an die niemand gedacht hatte. Die Gangesflotte suchte ein Paradies. Gut! Man war bereit, ihr zu helfen. Man ist ja nicht unmenschlich! Aber warum Risiken auf sich nehmen und diesen Leidenszug auf dem Meer weiter verfolgen, wo sich doch, wenn man auf die Karte schaut, in Reichweite ein Paradies befindet: Südafrika! Man las dann lobrednerische und katzenfreundliche Betrachtungen über das Land Südafrika, das dreimal so groß wie Frankreich ist, mit einer geringen Bevölkerung von einem Drittel von derjenigen Frankreichs, mit einem vorzüglichen Klima, einem hohen technischen und wirtschaftlichen Niveau und einem fabelhaften, noch nicht ausgebeuteten Reichtum …
Warum soll man bei diesen Gegebenheiten von dem alten, weit entfernten Europa etwas fordern, was es den Einwanderern vom Ganges beim besten Willen nicht mit Sicherheit geben kann, von klimatischen und demographischen Schwierigkeiten abgesehen? (Nebenbei bemerkt kam diese sachte abgefaßte Formulierung »klimatische und demographische Schwierigkeiten« auf eine geheime persönliche Anregung des Präsidenten der Republik zustande. Es war ein schüchterner Versuch, eine Abwehrstimmung aufzubauen, dem aber jeder Erfolg versagt blieb.) Es wurden auch Ziffern, Bilanzen, Statistiken und Pläne aller Art vorgetragen, die »Strategen« haben immer eine Antwort bereit. Die Finanzierung? Kein Problem. Europa würde sich anteilig beteiligen. Man würde Geld, Maschinen, Techniker, Berater, Arzte und Lehrer schicken, kurz alles, was die Südafrikaner für nötig halten würden. (Hier zeigen sich die ersten Symptome einer Panik! Man ist mit allem einverstanden, wenn nur wir nicht berührt werden. Wir keinesfalls! Aber Panik ist keine nützliche Furcht. Panik macht weich und zerstört. Wir werden es noch erleben.) In der Schlußfolgerung zerstreuten die Leitartikler die Utopie von einem Rückschlag. Eine gangbare, vernünftige, menschliche und hoffnungsträchtige Hypothese . Nat ürlich müßte man unverzüglich die südafrikanische Regierung fragen und mit den Anführern der Flotte Kontakt aufnehmen. Vielleicht könnte die Kommission für internationale Zusammenarbeit…
Es gab ein tolles Gezeter.
Die Diener der Mißgeburt gingen in die Luft. Apartheid! Neger ausgespielt! Rassendiktatur! Schande der Menschheit! Der ganze Wortschatz ging über die Bühne. Bei Südafrika, dem strapazierfähigen Sündenbock, dem Schutzengel reiner Gewissen, zog schon lange niemand mehr Handschuhe an. Eine Million Unglückliche mit schwarzer Hautfarbe einem solchen Vormund anvertrauen heißt, sie der Sklaverei ausliefern! Weg mit den Gemäßigten und Kompromißlern! Die Menschen vom Ganges sind ohne Zwang ausgezogen und werden frei ihr Schicksal bestimmen! …
Das laute Geschrei, daß man sie bei uns haben wollte, war ein Risiko. Man kann die Öffentlichkeit erschrecken, wenn man von ihr eine voreilige Entscheidung fordert. Statt dessen muß man sie langsam daran gewöhnen, wie man bisher auch das Verzichten schmackhaft gemacht hat. Die großen Schreier hatten die Gefahr erkannt. Sie blieben still, wie Clément Dio. Da sie eine heftige Reaktion Südafrikas erwartet hatten, die jedoch anders verlief, pfiffen sie ihre zuweit vorgegangenen Truppen zurück. Auch hier hatte der Westen eine kleine Chance verpaßt. Was sich jetzt abspielte, war in der Wirkung hundertmal stärker als der Vorgang mit dem australischen Einwanderungsgesetz. Diesmal hatte man es mit Weißen zu tun, die kein Blatt vor den Mund nahmen!
Nachdem die Afrikaner das Commonwealth und seine Metropole nicht mehr anerkannt und alle Brücken hinter sich abgebrochen
Weitere Kostenlose Bücher