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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Hand über einen abgemagerten, nackten Hindu geneigt, dessen gespreizte Arme und Beine an eine Folterbank gebunden waren. Dazu an der Ummauerung des Gefängnisses Zangen, Stachelpeitschen, Halseisen mit Nägeln inwendig, Daumenschrauben, ein großer elektrischer Zähler und ein Schweißbrenner. Auf dem Boden war noch eine Badewanne, ein Rad und ein eiserner mit Ratten gefüllter Käfig zu sehen. An dem Gefangenen lief Blut herunter, und seine Augen blickten erschreckt auf den Weißen mit dem Messer. Über das Gesicht des Präsidenten liefen Tränen. Der Begleittext lautete: »Ach, mein lieber Freund! Es ist leider Krieg! Und jetzt bin ich traurig, daß ich Dich töten muß …« Als Farbdruck hing diese Zeichnung des CLUNCH eine Woche lang an allen Kiosken Frankreichs und erschien auf dem Deckblatt von »La pensée nouvelle«. »La Grenouille« tat noch ein übriges. Diese Zeitung brachte auf der ersten Seite ganzseitig den Präsidenten Südafrikas als Burengeneral, dargestellt als bärtiger, gutmütiger Bauer, mit dickem Bauch, behängt mit Patronentaschen und Pistolen, mit einer Pfeife im Mund und einem Filzhut auf dem Kopf, dessen Rand seitlich hochgestülpt war. Er saß am Ufer und betrachtete das Meer. Um ihn herum lagen Leichen und standen Galgen mit Gehenkten. Man sah Stacheldraht, hinter welchem viele schwarze Gestalten kauerten. Der massige Präsident saß auf einem Haufen Körper, die er mit seinem Gewicht zu erdrücken schien. Draußen auf dem Meer zog die Gangesflotte vorbei, stilisierte Schiffe, auf denen sich bewegende Arme zu sehen waren. Auch hier ein Begleittext: »Wir sind traurig, daß wir Euch nicht aufnehmen können! Aber wir haben schon unsere glücklichen Neger …«
    Als Poster machten diese beiden Zeichnungen bei den südafrikanischen Botschaften aller westlichen Hauptstädte die Runde. Manifestanten für Gewaltlosigkeit veranstalteten mit Transparenten Schweigemärsche. Ohne Schlagworte, ohne Geschrei verliefen die Demonstrationen lautlos. Etliche hatten sich Arme und Beine mit Stricken zusammengebunden, wie es schon Zuchthausinsassen gelegentlich gemacht haben.
    In Paris wies anläßlich eines Empfangs Minister Jean Orelle die angebotene Hand des Botschafters von Südafrika zurück und drehte ihm brüsk den Rücken zu. »Schade«, murmelte der Botschafter, der französisch wie ein Pariser sprach, »daß ein Minister so beschränkt ist.« Der Satz wurde von einem Berichterstatter aufgeschnappt und ging wie ein Lauffeuer durch Paris. Von der Presse wurde er groß aufgemacht und führte zu einem ersten diplomatischen Zwischenfall, als Albert Durfort schrieb: »Und wie schade ist es, Herr Botschafter, daß ein Südafrikaner so ein Schlächter ist!« Boris Vilsberg meinte dazu: »Wir sind von nun an mit Schande beladene Weiße!« »Rote, nicht Weiße«, sagte Marcel, »würde französisch besser klingen.« Nach einigen Augenblicken erwiderte Josiane: »Schändliche Weiße, denn nach solchen Geschichten muß man sich schämen, Weißer zu sein!« Da haben wir’s …
    Drei berühmte Salons im 16. Bezirk verschlossen den südafrikanischen Diplomaten die Tür. Eine Gastgeberin erklärte voll Charme: »Ach was! Wir ersetzen sie durch Neger. Das genügt. Glauben Sie, daß es in Paris genug Arme gibt, damit wir hell werden? Ich finde die schwarzen Diplomaten viel zu gut gekleidet. Man muß sie beobachten. Augenblicklich beginnen sie mich zu schockieren.«
    Die alte Esther Bacouba tauchte altmodisch gekleidet auf. Sie sang nicht mehr, sie trällerte nur noch mit ihrer vom Alter geprägten goldenen Stimme. Aber mit ihren weißen, gekräuselten Haaren und dem edlen und schönen Gesicht wirkte sie immer noch. Im Sportpalast drängte man sich dicht zusammen, um sie zu hören. Für sie holte Clément Dio Schlager hervor. Er war ehemals ein bekannter Texter und etliche seiner Lieder tauchten in der Erinnerung auf, so »Paris, ich hasse Dich!« oder »Ich bin ein Dreckskerl und heiße Ahmed«. Dann der Samba: »Mein weißer Busen auf Deinen kaffeebraunen Schenkeln …« Für die wiedergefundene Esther hatte er »die Ballade der letzten Chance« geschrieben, die jetzt von einem indischen Sitaristen gespielt wurde. Fünfundzwanzig Strophen. Eine gute Viertelstunde. Im Sportpalast herrschte Stille. Alle waren ergriffen. Der Saal war in Dunkelheit gehüllt. Auf dem Podium stand, nur von einem Lichtkegel angestrahlt, die alte schwarze Sängerin, die mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen anfing:
    Buddha und

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