Das Heerlager der Heiligen
aufgewacht und benahm sich wie verrückt. Auf den Schiffsbrücken bildete die Menge eine Kette. Die Reissäcke gingen von Hand zu Hand und flogen in den Ozean, wo sie reihenweise dahinschwammen. Gruppen von fünfzig Mann stemmten sich mit Schultern und Hebeln gegen die Wassercontainer und warfen sie nacheinander ins Meer, ebenso die Medikamentenkisten. Diese tauchten, da sie leichter waren, wieder auf und bildeten eine tanzende Linie im Kielwasser der Flotte. Dann trat Ruhe ein; es war nichts mehr zum Wegwerfen da. Verblüfft und mit offenem Mund starrte man von den südafrikanischen Lastkähnen auf dieses Schauspiel. Hat man je schon Verhungerte sich so benehmen gesehen? Von allen Erklärungen, die man sich gab, schien die des südafrikanischen Admirals die vernünftigste gewesen zu sein. Als er am Kap an Land ging, umgeben von einer Meute von Journalisten, die ihn mit Fragen überschütteten, steckte er die Hände in die Tasche und zuckte angewidert mit den Schultern.
Laßt uns die Intelligenz des Tieres bewundern und seiner Geschicklichkeit Beifall spenden! Da wurde es soeben in seinem Elan gebremst, weil es etwas witterte, was ihm gar nicht behagte und was doch nichts anderes als ein Akt der Nächstenliebe war. Er kam zwar spät, ließ aber aufatmen. Er schien mit Gewissensbissen belastet, sogar durch versteckte Berechnungen getrübt zu sein, je nachdem man es betrachten mag. Aber er war menschlich, denn es gab Kontakte oder beinahe Kontakte. Eine hilfreiche Hand hat sich wirklich ausgestreckt. In der nachgiebigen Öffentlichkeit konnte die gefährliche Ansicht geweckt werden, daß die Afrikaner ganz sympathische Leute sind! Sympathische Rassisten? Welche Gefahr! Nach fünfzigjähriger Gehirnwäsche gibt sich der Westen wieder dem Rassismus hin und verschanzt sich hinter neuen Mauern? Das wäre ja eine Katastrophe für das Tier, dem so seine Beute entschlüpfen würde! Man stelle sich vor, die Weißen wachen plötzlich erleichtert auf und finden die zuvor so verhaßten Rassisten sympathisch und sich wesensverwandt mit ihnen. Aber nein? Das wäre zu schön! Leider haben wir es nicht mit einem Phönix zu tun, der aus der westlichen Asche hochsteigt, kaum mit einer schwachen verirrten Fliege. Mit einem Prankenhieb schlägt das Tier zu und vernichtet sie. Sympathisch sollen die Südafrikaner sein? Das Tier wird schnell damit fertig werden.
Die Presse gab reichhaltigen Aufschluß. Es war müßig, die Einzelheiten zu lesen, die fetten Überschriften sagten alles. »Fünf Fragen und die Antwort auf die südafrikanische Freigebigkeit« (London, gemäßigt). »Pretoria: Gute Reise, wir sind froh, Euch nie mehr zu sehen!« (Paris, gemäßigt). »Erpressung im Elend« (Den Haag, links gerichtet). »Und wenn sie jene vergiften wollten?« (Paris, links gerichtetes Sensationsblatt). »Almosen geben ist keine Lösung« (Turin, gemäßigt). »Südafrika: beleidigende Nächstenliebe« (Paris, linksradikal). »Halt, mein Lieber. Sieh weiter, wenn ich dort bin« (Frankfurt, links). »Armada: Versuch der Vergiftung vereitelt« (Rom, linksradikal). »Das Gastmahl des Pontius Pilatus« (Brüssel, gemäßigt). »Südafrikanischer Reis im Wasser: Die Armada entschied sich für Würde« (New York, gemäßigt). »Die Menschen vom Ganges lehnen einen Kompromiß ab« (Paris, linksradikal).
Die zuletzt zitierte Überschrift stand über einem Leitartikel von Clément Dio. Über die absurde Hypothese von einer Vergiftung war in seiner Zeitung keine Zeile zu finden. Dieses Thema rührte er nicht an. Aber die Hütten in Schrecken zu versetzen, das verstand er in aller Unschuld meisterhaft. In seiner üblichen Art begnügte er sich, der Wahrheit nahe zu kommen, aber nicht zu sehr, nicht unverblümt, das wäre nicht gut gewesen, sondern eben nur so weit, daß sein Gewissen als guter Journalist nicht belastet wurde. Ein Schaukelspiel, bei dem er glänzte und das ihn gefürchtet machte, wenn er die Zügel schießen ließ. Die Wahrheit hatte nur er oder fast nur er erraten. Dies war ihm um so leichter gelungen, als sie seinem Haß entgegenkam. Die Armada der letzten Chance ernährte sich auf ihrem Weg zum Westen vom Haß. Es war gleichsam ein philosophischer Haß, so rein und tief, daß Worte wie Rache, Tod oder Blut nicht aufkamen. Er schleuderte einfach diejenigen ins Nichts, die er traf, im vorliegenden Fall die Weißen. Für die Menschen vom Ganges auf ihrem Weg nach Europa existierten die Weißen nicht mehr. Man verneinte sie. Das Paradies
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